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Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Tage in der Klinik versäumte, und das fiel ihr schwer, denn sosehr sie ihre Kinder liebte, so sehr liebte sie ihre Arbeit. Eigentlich ist es ihr gegenüber unfair, gestand Ryan ein. Auch sie hatte einen anspruchsvollen Beruf, mußte aber die ganze Last der Kindererziehung tragen, weil er nie von seiner Arbeit loskam. Andererseits aber gab es Tausende von Augenchirurgen und ein paar hundert Professoren für Opthalmologie, aber nur einen DDCI, und da lag der Hase im Pfeffer. Vielleicht nicht fair, aber einfach nicht von der Hand zu weisen.
    Die Situation wäre erträglicher, wenn ich wenigstens etwas bewirken könnte, sagte sich Ryan. Es war ein Fehler gewesen, Elizabeth Elliot mit diesem Journalisten reden zu lassen, aber von Cabot hatte Jack nichts anderes erwartet. Der Mann war eine Drohne. Er genoß das Prestige, das mit seiner Stellung einherging, aber er tat einfach nichts. Ryan bekam die meiste Arbeit aufgebürdet, ohne die Lorbeeren zu ernten, und wenn etwas schiefging, war er an allem schuld. Nun, vielleicht änderte sich das bald. Er hatte die Steuerung der Aktion in Mexiko vom Direktorat Operationen abgezogen und selbst übernommen und war entschlossen, einen eventuellen Erfolg für sich zu beanspruchen. Vielleicht liefen die Dinge dann besser. Er nahm die Akte der Operation heraus und beschloß, sie in allen Einzelheiten durchzugehen und auf jede denkbare Eventualität zu überprüfen. Der Plan mußte klappen, und dann hatte das Weiße Haus ihm Respekt zu zollen.
     
    »Du gehst jetzt sofort in dein Zimmer!« keifte Cathy den kleinen Jack an. Das war ein Befehl und ein Eingeständnis ihres Versagens zugleich. Dann ging sie mit Tränen in den Augen aus dem Zimmer. Sie benahm sich dumm, schrie ihre Kinder an, anstatt ihren Mann mit ihrem Verdacht zu konfrontieren. Aber wie sollte sie ihn zur Rede stellen? Was sollte sie sagen? Und was, wenn er wirklich eine Geliebte hatte? Was sollte dann werden? Sie redete sich immer wieder ein, so etwas sei unmöglich, aber die Indizien waren nicht von der Hand zu weisen. Sie dachte stolz an den Tag, an dem er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um sie und die Kinder zu schützen. Sie hatte entsetzliche Angst und eine zugeschnürte Kehle gehabt damals am Strand, als ihr Mann den Bewaffneten entgegengegangen war. Wie konnte jemand, der das getan hatte, seine Frau betrügen? Cathy verstand die Welt nicht mehr.
    Doch welche andere Erklärung konnte es geben? Fand er sie nicht mehr aufregend? Und wenn es so war, warum? Sah sie nicht hübsch genug aus? Tat sie nicht alles, was eine Frau tun kann? Die Abweisung an sich war schon schlimm genug, aber die Vorstellung, daß er seine Kräfte, seine Potenz für eine Unbekannte aufsparte, die billiges Parfüm trug, war unerträglich.
    Sie mußte ihn zur Rede stellen und die Wahrheit herausfinden.
    Aber wie? Das war die Frage. Konnte sie den Fall mit einem Kollegen besprechen, einem Psychiater vielleicht?
    Und riskieren, daß die Sache herauskam, an die Öffentlichkeit ging? Professor Caroline Ryan, die attraktive, intelligente Cathy, konnte nicht einmal ihren Ehemann halten? Was sie wohl falsch gemacht hat? würden ihre Freundinnen und Freunde hinter ihrem Rücken wispern. Gewiß, würden sie sagen, es könne nicht ihre Schuld gewesen sein. Später dann würde man zu spekulieren beginnen, was sie anders gemacht haben könnte, warum sie die Signale nicht erkannt hatte, denn am Scheitern einer Ehe sei ja selten nur einer schuld, und Jack Ryan wirke eigentlich treu. Dann bin ich in der beschämendsten Lage meines Lebens, dachte sie und vergaß für den Augenblick, daß sie viel Schlimmeres durchgemacht hatte.
    Trotzdem, das Ganze machte keinen Sinn. Nur wußte sie nicht, was sie unternehmen konnte; fest stand nur, daß Nichtstun wohl der ungünstigste Kurs war. Saß sie in einer Falle? Hatte sie überhaupt Optionen?
    »Mama, was ist?« fragte Sally mit ihrer Barbie in der Hand.
    »Nichts, mein Herz. Laß mich mal einen Augenblick in Frieden, ja?«
    »Jack sagt, es tut ihm leid, und er will wieder raus.«
    »Meinetwegen, wenn er verspricht, brav zu sein.«
    »Toll!« Sally rannte aus dem Zimmer.
    War die Lösung so einfach? Cathy war überhaupt nicht nachtragend. Konnte sie Jack auch das verzeihen? Vergeben wollte sie ihm im Grunde nicht. Schließlich ging es nicht nur um ihren Stolz, sondern auch um die Kinder, die einen Vater brauchten, ob er sie nun vernachlässigte oder nicht. Ist mein Stolz wichtiger als ihre Bedürfnisse?

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