Das Echo aller Furcht
Kaltblütig hatte er einen Menschen getötet, der niemanden bedrohte. Er war ein Mörder. Zadin wandte sich an die Rabbis und suchte in ihren Augen vergeblich nach Trost oder Verständnis. Als er sich abwandte, begann der Gesang aufs neue. Wachtmeister Mosche Levin trat zu seinem Hauptmann und nahm ihm die Waffe ab.
»Kommen Sie mit, Hauptmann.«
»Was hab’ ich getan?«
»Geschehen ist geschehen. Kommen Sie.«
Levin führte seinen Vorgesetzten weg, drehte sich aber noch einmal um. Haschimi war zusammengesackt; durch die Fugen des Pflasters rann Blut. Der Wachtmeister hatte das Gefühl, etwas tun oder sagen zu müssen; diese Sache war fürchterlich schiefgegangen. Er schüttelte mit offenem Mund den Kopf, und in diesem Augenblick erkannten Haschimis Anhänger, daß ihr Führer gesiegt hatte.
Ryans Telefon ging 2.03 Uhr, und es gelang ihm, noch vor dem zweiten Läuten abzuheben.
»Ja?«
»Operationszentrale, Saunders. Schalten Sie den Fernseher ein. In vier Minuten bringt CNN eine Sensation.«
»Und was?« Ryan tastete nach der Fernbedienung.
»Sie werden es nicht glauben, Sir. Wir haben die Satellitenverbindung angezapft; CNN gibt die Meldung gleich an die anderen Anstalten weiter. Keine Ahnung, wie das die israelische Zensur passiert hat. Auf jeden Fall ...«
»Ah, es kommt gerade.« Ryan hatte gerade noch Zeit, sich die Augen klarzureiben. Er hatte den Ton des Fernsehers im Schlafzimmer abgestellt, um seine Frau nicht zu stören, aber ein Kommentar war ohnehin überflüssig. »Guter Gott...«
»Schlimm, Sir«, meinte der Offizier vom Dienst.
»Schicken Sie mir meinen Fahrer und wecken Sie den Direktor. Verständigen Sie das Weiße Haus. Wir brauchen den DDI und die Spezialisten für Israel und Jordanien ... ach was, alle. Vergewissern Sie sich, daß das Außenministerium auf dem laufenden ist...«
»Das hat seine eigenen Kanäle ...«
»Weiß ich. Alarmieren Sie es trotzdem; sicher ist sicher.«
»Jawohl, Sir. Sonst noch etwas?«
»Schicken Sie mir noch vier Stunden Schlaf rüber.« Ryan legte auf.
»Jack, war das ...« Cathy, die gerade die Wiederholung der schrecklichen Szene mitbekommen hatte, setzte sich auf.
»Leider ja, Liebes.«
»Und was bedeutet das?«
»Den Arabern ist gerade aufgegangen, wie sie den Staat Israel zerstören können.« Es sei denn, wir können ihn retten, fügte er in Gedanken hinzu.
Neunzig Minuten später schaltete Ryan die Kaffeemaschine hinter seinem Schreibtisch ein und sah dann die vom Nachtdienst abgefaßten Aktennotizen durch. Heute wirst du das Koffein bitter nötig haben, dachte er. Rasiert hatte er sich unterwegs im Auto, doch nicht sehr gründlich, wie ein Blick in den Spiegel ihm verriet. Jack wartete, bis die erste Tasse Kaffee fertig war, und marschierte dann ins Dienstzimmer des Direktors, wo er außer Cabot auch Charles Alden vorfand.
»Guten Morgen«, sagte der Sicherheitsbcratcr.
»Von wegen«, murrte Ryan mit belegter Stimme. »Nichts ist gut. Weiß der Präsident schon Bescheid?«
»Nein. Ich wollte ihn nicht stören, solange wir noch kein klares Bild haben. Nach sechs, wenn er wach ist, rede ich mit ihm. Na, Marcus, was halten Sie jetzt von unseren israelischen Freunden?«
Direktor Cabot antwortete nicht, sondern wandte sich an Jack: »Haben wir weitere Informationen?«
»Seinen Rangabzeichen nach zu urteilen, ist der Schütze Polizeihauptmann. Bisher liegen weder Name noch Hintergrundinformationen vor. Die Israelis haben ihn irgendwo festgesetzt und lassen nichts verlauten. Auf dem Videoband sieht es so aus, als hätte es zwei Tote und mehrere Verletzte gegeben. Unser Stationschef in Israel meldet nur, der Vorfall habe sich tatsächlich zugetragen und sei auf Band. Niemand scheint zu wissen, wo das TV-Team steckt. Da wir keinen Agenten vor Ort haben, ist das Fernsehen unsere einzige Quelle.« Mal wieder, fügte Ryan stumm hinzu. »Die Armee hat Tempelberg und Klagemauer abgesperrt, zum ersten Mal wohl. Unsere Botschaft dort hat noch keine Erklärung abgegeben und wartet auf Anweisungen von hier. Offizielle Reaktionen aus Europa liegen noch nicht vor, aber das wird sich in der nächsten Stunde ändern. Dort sitzen die Leute schon an ihren Schreibtischen und haben die Aufnahmen in Sky News gesehen.«
Alden warf einen müden Blick auf die Uhr. »Kurz vor vier. Drei Stunden noch, dann wird den Leuten das Frühstück im Hals steckenbleiben. Meine Herren, das gibt eine Sensation. Ryan, hatten Sie nicht vergangenen Monat so etwas
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