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Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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seiner Befriedigung Blut aus einem Gesicht spritzen.
    Der Anführer – Zadin kannte sein Gesicht von früheren Konfrontationen – gab einen Befehl. Der Gesang wurde lauter und mit einer weiteren Salve quittiert. Der Polizeihauptmann stellte fest, daß einer seiner Schützen sehr aufgebracht war, denn der Araber, der ein Geschoß ins Gesicht bekommen hatte, wurde nun auch noch am Schädeldach getroffen und starb. An diesem Punkt hätte Benjamin merken sollen, daß er die Kontrolle über seine Männer verloren hatte; schlimmer aber war, daß er nun selbst die Beherrschung verlor. Haschimi hatte in der allgemeinen Aufregung den Tod seines Kameraden nicht mitbekommen. Er konzentrierte sich auf die beiden verwirrt dreinschauenden Rabbis und auf die Polizisten, deren Gesichter hinter den Masken er nicht sehen konnte. Wohl aber wußte er ihre Handlungen und Bewegungen zu deuten und erkannte mit jäher Klarheit, daß er gewonnen hatte. Er ließ seine Kameraden lauter und lauter singen, und sie folgten ihm im Angesicht von Feuer und Tod.
    Hauptmann Benjamin Zadin setzte seinen Helm ab und schritt energisch auf die Araber zu, vorbei an den Rabbis, die nun plötzlich unschlüssig waren. Konnten die Mißklänge schmutziger Heiden den Willen Gottes zunichte machen?
    »Au wei«, bemerkte Pete Franks, dessen Augen tränten.
    »Ich hab’s«, sagte der Kameramann und holte sich den israelischen Hauptmann mit dem Zoom heran. »Gleich passiert was, Pete – der Typ sieht stinksauer aus.«
    Mein Gott, dachte Franks, der selber Jude war und sich in diesem trockenen Land seltsam heimisch fühlte. Er wußte, daß das, was jetzt kommen würde, die Dimension eines historischen Augenblicks haben würde, und formulierte schon seinen Drei-Minuten-Kommentar, der die Aufnahmen, die sein Kameramann gerade machte, aus dem Off begleiten würde. Dabei fragte er sich, ob ihm für diesen schweren und gefährlichen Job ein weiterer Emmy winkte.
    Es passierte rasch, viel zu rasch, als der Hauptmann direkt auf den Anführer der Araber zuschritt. Haschimi wußte nun, daß sein Freund tot war; das angeblich nicht tötende Geschoß hatte ihm die Schädeldecke zerschmettert. Er betete stumm für seinen Kameraden; Allah wußte doch gewiß, mit welchem Mut er dem Tod ins Auge gesehen hatte. Das Gesicht des Israelis, der nun auf ihn zukam, war ihm nicht unbekannt. Zadin, so hieß der Mann, war oft genug hiergewesen, ein Gesicht hinterm Visier, eine gezogene Waffe. Er war einer dieser Männer, für die die Araber keine Menschen waren, sondern Gesocks, das Steine und Molotowcocktails warf. Nun, heute muß er umlernen, sagte sich Haschimi. Heute tritt ihm ein Mann mit Mut und Überzeugung entgegen.
    Benjamin Zadin sah ein Tier, einen störrischen Esel, auf jeden Fall aber keinen richtigen Menschen, wie die Israelis es waren. Die Kerle wandten eine feige neue Taktik an, das war alles. Meinten sie vielleicht, ihn so daran zu hindern, seine Aufgaben zu erledigen? So trotzig hatte auch seine Frau vor ihm gestanden und ihm gesagt, sie zöge zu einem anderen Mann, die Kinder könne er behalten, und er hätte ja nicht einmal den Mumm, sie zu schlagen. Er sah ihr schönes, ausdrucksloses Gesicht vor sich und fragte sich, warum er ihr keine Lektion erteilt hatte; einen Meter entfernt von ihm war sie gewesen, hatte gestarrt, dann gelächelt und schließlich laut gelacht, weil er nicht Manns genug gewesen war... und so hatte ihre passive Schwäche seine Kraft besiegt.
    Diesmal sollte es anders kommen.
    »Machen Sie den Weg frei!« befahl er auf arabisch.
    »Nein.«
    »Ich schieße!«
    »Hier kommen Sie nicht durch.«
    »Hauptmann!« rief ein besonnener Polizist, aber zu spät. Benjamin Zadin, der seine Brüder an die Araber und seine Frau an einen anderen Mann verloren hatte, riß beim Anblick dieser Sitzdemonstranten die Geduld. In einer flinken, fließenden Bewegung zog er die Dienstpistole und schloß Haschimi in die Stirn. Der junge Araber sank zusammen, das Singen und Klatschen verstummte. Ein Demonstrant wandte sich zur Flucht, wurde aber von zwei anderen festgehalten. Die Sitzenden begannen nun, für ihre toten Kameraden zu beten. Zadin richtete die Waffe auf einen von ihnen, aber etwas hinderte ihn daran abzudrücken; der Mut in den Augen dieser Leute vielleicht, der nichts mit Trotz zu tun hatte, sondern Entschlossenheit ausdrückte und vielleicht auch Mitleid. Denn das Entsetzen in Zadins Gesicht verriet nun, daß er anfing zu begreifen, was er getan hatte.

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