Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
TV-Koordinator Stalin und führte damit über zu einem weitschweifigen Diskurs über die historische Bedeutung der Kirche, die den Marxismus-Leninismus so erfolgreich überdauert hatte, daß die Sowjetunion nun diplomatische Beziehungen zum Vatikan aufnehmen wollte und ihre Abendnachrichten aus einer Kabine auf dem Petersplatz sendete.
    Zusätzliche Aufmerksamkeit wurde auch den Repräsentanten der beiden anderen Religionen bei den Verhandlungen zuteil. Bei ihrem Empfang hatte der Papst ein Ereignis aus der Frühzeit des Islam erwähnt: Eine Abordnung katholischer Bischöfe war nach Arabien gereist, um Mohammeds Absichten zu erkunden. Nach einer ersten, freundlichen Begegnung fragte der älteste Bischof, wo er mit seinen Begleitern die Messe zelebrieren könnte. Daraufhin bot Mohammed sofort die Moschee, in der sie gerade standen, an; immerhin sei sie ein Gotteshaus, merkte der Prophet an. Der Heilige Vater machte den jüdischen Gästen ein ähnliches Angebot. In beiden Fällen bekamen die konservativen Kleriker ein unbehagliches Gefühl, das der Heilige Vater aber mit seiner in drei Sprachen gehaltenen Rede hinwegfegte.
    »Im Namen des Einen Gottes, den wir unter verschiedenen Namen kennen, der aber doch der Gott aller Menschen ist, öffnen wir unsere Stadt allen, die guten Willens sind. Es gibt so viele Dinge, die uns gemeinsam sind. Wir glauben an einen Gott der Liebe und der Gnade. Wir glauben an die unsterbliche Seele des Menschen. Nichts ist größer als der Glaube, der sich in Barmherzigkeit und Brüderlichkeit offenbart. Brüder aus fernen Landen, wir begrüßen euch und schließen in unser Gebet den Wunsch ein, daß euer Glaube euch den Weg zur Gerechtigkeit und zum Frieden Gottes weisen möge.«
    »Donnerwetter«, merkte der Koordinator des Frühstücksfernsehens an. »Langsam habe ich das Gefühl, daß bei diesem Zirkus tatsächlich etwas herauskommt.«
    Natürlich endete die Berichterstattung nicht mit der offiziellen Ansprache. Im Interesse der Fairneß, Ausgewogenheit, Streitkultur, Interpretation der Zeitgeschichte und Plazierung von Werbespots erschienen vor den Kameras unter anderen der Führer einer jüdischen paramilitärischen Gruppe, der lautstark die Vertreibung der Juden aus Spanien durch Ferdinand und Isabella, die Schwarzen Hundertschaften des Zaren und den Holocaust ins Gedächtnis rief, den er angesichts der Wiedervereinigung Deutschlands besonders betonte. Er kam zu der Schlußfolgerung, daß die Juden Narren seien, wenn sie sich auf etwas anderes als die Waffen in ihren starken Händen verließen. In Ghom wetterte Irans religiöser Führer Ajatollah Daryaei, schon immer ein Feind Amerikas, gegen alle Ungläubigen und verdammte sie zur Hölle, aber da die Simultanübersetzung fürs amerikanische Fernsehpublikum fast unverständlich war, sendete man die bombastische Tirade gekürzt. Die meiste Sendezeit bekam ein selbsternannter »charismatischer Christ« aus dem Süden der USA. Nachdem er den Katholizismus als Werk des Antichristen angeprangert hatte, wiederholte er seine Behauptung, der Herr höre die Gebete der Juden und heidnischen Moslems, die er noch zusätzlich beleidigend »Mohammedaner« nannte, überhaupt nicht.
    Mit ihrer Botschaft kamen diese Demagogen jedoch nicht an. Die Zuschauer riefen erbost bei den Anstalten an und wollten wissen, warum man diesen Leuten überhaupt Gelegenheit gab, ihre Bigotterien zu verbreiten. Die TV-Chefs freute das natürlich, denn erfahrungsgemäß schalteten diese Leute das Programm wieder ein, um sich weiter schockieren zu lassen. Bei dem amerikanischen Eiferer gingen sofort die Spenden zurück. B’nai B’rith distanzierte sich hastig von dem wildgewordenen Rabbi. Das Oberhaupt der Islamischen Liga, ein Geistlicher von hohem Rang, beschuldigte den radikalen Imam der Ketzerei und zitierte ausführlich den Propheten. Fernsehkommentatoren sorgten mit Gegenpositionen für eine Ausgewogenheit, die einige Zuschauer besänftigte und andere aufbrachte.
    Schon nach einem Tag, schrieb ein Kolumnist, hätten die zu Tausenden angereisten Korrespondenten der runden Piazza San Pietro den Namen »Peace-Bowl« gegeben. Aufmerksame Beobachter führten diese kindische Anspielung auf die Super-Bowl, das Spiel um die Meisterschaft im amerikanischen Football, auf den Streß zurück, unter dem Reporter stehen, wenn sie berichten müssen und nichts zu berichten haben. Die Konferenz war hermetisch abgesichert. Teilnehmer reisten mit Militärmaschinen an und landeten auf

Weitere Kostenlose Bücher