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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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stimmt schon, er lässt sich nur noch selten sehen, wahrscheinlich verschanzt er sich die meiste Zeit im Hochkommissariat, aber vorher, als er noch Stellvertreter im Amt für Eingeborenenfragen war, konntest du ihn ständig irgendwo in der Stadt treffen. Damals hat sich natürlich niemand nach ihm umgedreht, er war nur ein streng blickender, anonymer Staatsdiener, der kaum am gesellschaftlichen Leben teilnahm. Man sah ihn fast immer allein, und er ging auch nicht zu den Tanzabenden im La Hípica, im Hotel Nacional oder im Salon Marfil, und er saß auch nicht Tag für Tag beim Kartenspielen wie zum Beispiel der Oberst Sáenz de Buruaga, dieser faule Nichtsnutz, der sogar am Tag des Aufstands die ersten Befehle von der Terrasse des Kasinos aus erteilte. Beigbeder ist eher ein zurückhaltender Typ und ein bisschen einzelgängerisch.«
    » Attraktiv?«
    » Na ja, mich macht er absolut nicht an, doch ihr Frauen findet ihn vielleicht charmant. Ihr seid da ja sehr eigen.«
    » Beschreib ihn mir.«
    » Groß, schlank, spröde. Dunkler, geschniegelter Typ mit Schnurrbart und runder Brille wie ein Intellektueller. Trotz seines hohen Postens läuft er auch heute noch wie ein Zivilist gekleidet herum, in absolut langweiligen dunklen Anzügen.«
    » Verheiratet?«
    » Wahrscheinlich, obwohl er hier anscheinend immer allein gelebt hat. Aber es ist gar nicht so selten, dass Militärs ihre Familie nicht an alle ihre Standorte mitnehmen.«
    » Alter?«
    » Alt genug, um ihr Vater zu sein.«
    » Das kann ich nicht glauben.«
    Er lachte erneut.
    » Wie du willst. Wenn du weniger arbeiten würdest und öfter vor die Tür kämst, würde er dir bestimmt irgendwann über den Weg laufen und du könntest mit eigenen Augen sehen, ob es stimmt, was ich dir erzähle. Manchmal spaziert er noch durch die Stadt, allerdings wird er jetzt immer von zwei Leibwächtern begleitet. Es heißt, dass er ungeheuer gebildet ist, mehrere Sprachen spricht und viele Jahre außerhalb Spaniens gelebt hat. Ganz anders als die Retter des Vaterlands, an die wir hier gewöhnt sind, obwohl er bei dem Posten, den er jetzt hat, anscheinend auf ihrer Seite steht. Vielleicht haben deine Kundin und er sich im Ausland kennengelernt, vielleicht erzählt sie es dir ja eines Tages, und du erzählst es dann mir. Du weißt ja, dass mich diese romantischen Geschichten faszinieren. Also, meine Liebe, ich lass dich jetzt allein, denn ich gehe mit der Hexe ins Kino. Es gibt eine Doppelvorstellung: La hermana San Sulpicio und Don Quintín el amargao. Das wird ja ein toller Nachmittag! Wegen diesem idiotischen Krieg bekommt man seit fast einem Jahr keinen anständigen Film mehr zu sehen. Was habe ich Lust auf ein gutes amerikanisches Musical! Erinnerst du dich an Fred Astaire und Ginger Rogers: › I just got an invitation through the mail, your presence is requested this evening, it’s formal: top hat, white tie and tails …‹«
    Er schlenderte trällernd zur Tür, und ich sperrte hinter ihm ab. Dieses Mal war es nicht seine Mutter, die indiskret mit dem Auge am Spion klebte, sondern ich selbst. Ich beobachtete ihn, wie er, das Lied noch auf den Lippen, seinen Schlüsselbund aus der Hosentasche nahm, den kleinen Schlüssel zu seiner Wohnungstür suchte und ihn ins Schloss steckte. Als er in der Wohnung verschwand, ging ich zurück ins Atelier und nahm meine Arbeit wieder auf. Ich konnte noch immer nicht recht glauben, was ich da gehört hatte. Eigentlich wollte ich noch eine Weile arbeiten, doch ich merkte, dass mir die Lust fehlte. Oder der Wille. Oder einfach beides. Ich erinnerte mich, wie turbulent es am Vortag zugegangen war, und beschloss, mir den Rest des Tages freizugeben. Ich gedachte ebenfalls ins Kino zu gehen wie Félix und seine Mutter, ich hatte ein wenig Ablenkung verdient. Mit diesem Vorsatz im Kopf verließ ich das Haus, aber seltsamerweise lenkten mich meine Schritte in eine ganz andere Richtung, nämlich zur Plaza de España.
    Dort begrüßten mich üppige Blumenbeete und Palmen, der mit farbigen Kieselsteinen belegte Boden und weiße Gebäude rundherum. Die Steinbänke waren, wie meistens am Nachmittag, von Liebespaaren und Gruppen befreundeter Mädchen besetzt. Von den nahen Kaffeestuben wehte der angenehme Geruch von Fleischspießchen herüber. Ich überquerte den Platz und ging auf das Hochkommissariat zu, an dem ich seit meiner Ankunft in Tetuán schon so oft vorbeigekommen war und das mich bis heute so wenig interessiert hatte. Ganz in der Nähe des

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