Das Echo der Traeume
Geist.
Heilige Dreifaltigkeit, ein einiger Gott.
» Sagt man …«
Heilige Maria, bitte für uns.
Heilige Mutter Gottes.
Heilige Jungfrau über allen Jungfrauen.
» Können Sie in Erfahrung bringen, wie sie das machen?«
Mutter Christi.
Mutter der Kirche.
» Warum willst du das wissen?«
Mutter der göttlichen Gnade.
Du reinste Mutter.
Du keuscheste Mutter.
» Um meine Mutter aus Madrid herauszuholen und nach Tetuán zu bringen.«
Du unversehrte Mutter.
Du unbefleckte Mutter.
» Ich werde mich umhören …«
Du liebliche Mutter.
Du wunderbare Mutter.
» Gleich morgen früh?«
Du Mutter des guten Rates.
Du Mutter des Schöpfers.
Du Mutter des Erlösers.
» So schnell wie möglich. Aber nun sei still und bete, mal sehen, ob es uns Weibern mit vereinten Kräften gelingt, Don Anselmo in den Himmel zu befördern.«
Die Totenwache dauerte bis zum Morgengrauen. Am nächsten Tag trugen wir den Lehrer mit allem feierlichen Drum und Dran zu Grabe, wie es sich ein gläubiger Mensch gewünscht hätte. Nach der Totenmesse folgten wir dem Sarg zum Friedhof. Es war sehr windig, wie so oft in Tetuán: ein lästiger Wind, der die Schleier aufbauschte, die Röcke in die Höhe wehte und die Eukalyptusblätter über den Boden wirbelte. Als der Priester die letzten Verse sprach, beugte ich mich zu Candelaria hinüber und flüsterte ihr meine neugierige Frage ins Ohr.
» Wenn die Schwestern doch immer sagten, der Lehrer sei Luzifers Sohn gewesen, versteh ich nicht, wie um alles in der Welt er zu diesem Begräbnis kommt.«
» Lass sein, lass sein! Es wird sich ja zeigen, ob seine Seele durch die Hölle irrt und später womöglich sein unruhiger Geist zu uns kommt, um uns nachts, wenn wir schlafen, an den Füßen zu ziehen …«
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.
» Also wirklich, Candelaria, seien Sie nicht so abergläubisch.«
» Lass mich bloß in Ruhe, ich bin schließlich alt genug, um zu wissen, wovon ich rede.«
Ohne ein weiteres Wort konzentrierte sie sich wieder auf die Liturgie und würdigte mich keines Blickes mehr, bis das letzte requiescat in pace gesprochen war. Der Sarg wurde ins Grab hinabgelassen, und als die Totengräber die ersten Schaufeln Erde in die Grube warfen, löste sich die Trauergemeinde auf. Geordnet gingen wir zum Ausgang, wo Candelaria sich auf einmal bückte und so tat, als müsse sie sich die Schnalle an ihrem Schuh wieder richtig zumachen. So gingen die Schwestern mit der Matrone und den Nachbarinnen schon mal vor. Wir liefen hinterdrein, die anderen vorneweg wie eine Schar Raben mit ihren schwarzen, bis zur Taille reichenden Schleiern, die eher an einen Umhang erinnerten.
» Komm, wir beide gehen jetzt und gedenken des armen Don Anselmo. Wenn ich traurig bin, kriege ich immer so einen Hunger …«
Gemächlich machten wir uns auf zum Café El Buen Gusto, suchten uns jede ein Stück Kuchen aus und setzten uns nach draußen, zwischen Palmen und Blumenbeeten, auf den Platz vor der Kirche. Und schließlich stellte ich ihr die Frage, die mir schon seit dem frühen Morgen auf der Zunge lag.
» Und, haben Sie schon etwas herausbekommen?«
Sie nickte, den Mund voller Baiser.
» Die Sache ist kompliziert. Und kostet einiges.«
» Erzählen Sie schon.«
» Hier in Tetuán kümmert sich jemand um die Formalitäten. Ich habe nicht alle Einzelheiten in Erfahrung bringen können, aber es scheint, dass die Sache in Spanien über das Internationale Rote Kreuz läuft. Die Organisation sucht die Leute in der roten Zone und bringt sie irgendwie zu einem Hafen an der Ostküste, frag mich nicht, wie, ich habe nicht die leiseste Ahnung. Irgendwie getarnt, in Lastwagen, zu Fuß, wer weiß. Auf jeden Fall gelangen sie dort an Bord. Diejenigen, die in die nationale Zone wollen, bringen sie nach Frankreich und von dort über die Grenze. Diejenigen, die nach Marokko wollen, kommen, wenn möglich, nach Gibraltar. Obwohl sich das oft als recht schwierig erweist, sodass sie zunächst zu einem anderen Hafen am Mittelmeer müssen. Das nächste Ziel ist dann Tanger, und von dort gelangen sie schließlich nach Tetuán.«
Ich merkte, wie mein Puls sich beschleunigte.
» Und wissen Sie, mit wem ich reden muss?«
Sie lächelte ein wenig traurig und gab mir einen liebevollen Klaps auf den Oberschenkel, der eine Spur glasierten Zuckers auf meinem Rock hinterließ.
» Bevor du mit irgendjemandem sprechen kannst, musst du erst einmal einen ordentlichen Batzen
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