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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Kalifenpalastes gelegen, beherbergte das große weiße Gebäude im Kolonialstil inmitten eines prächtigen Gartens die wichtigste Behörde der spanischen Verwaltung. Durch die üppige Vegetation hindurch konnte man zwei Stockwerke und, etwas zurückgesetzt, ein drittes erkennen, die kleinen Ecktürme, die grünen Fensterläden und die Simse aus orangefarbenen Ziegeln. Vor dem großen schmiedeeisernen Tor hielten marokkanische Soldaten – eindrucksvolle Gestalten – mit Turban und langem Cape stoisch Wache. Durch eine kleine Seitentür passierten höhere Chargen der spanischen Afrika-Armee in makelloser sandfarbener Uniform. Sie wirkten recht herrisch mit ihren Breeches und den hohen, glänzend polierten Stiefeln. Auch etliche einheimische Soldaten in europäischen Uniformjacken, weiten Hosen und einer Art erdfarbenen Binde um die Waden gingen herum. Vor dem blauen Himmel, der schon den nahenden Sommer anzukündigen schien, wehte die zweifarbige Nationalflagge. Ich beobachtete interessiert das unaufhörliche Kommen und Gehen der uniformierten Männer, bis ich bemerkte, dass ich mit meinem Verhalten bereits Aufmerksamkeit erregte. Verwirrt und mit einem unbehaglichen Gefühl drehte ich mich um und ging zurück zur Plaza de España. Was hatte ich vor dem Hochkommissariat gesucht, was wollte ich dort finden, wozu war ich hingegangen? Aus keinem besonderen Grund, wahrscheinlich. Zumindest keinem anderen konkreten Grund, als aus der Nähe zu sehen, in welcher Umgebung sich der Mann bewegte, der sich so überraschend als Geliebter meiner neuesten Kundin entpuppt hatte.

20
    Auf den Frühling folgte ein milder Sommer mit sternenklaren Nächten. Wie gehabt teilte ich mir mit Candelaria die Einnahmen aus dem Atelier. Mein Bündel an Pfund-Sterling-Noten, das ich ganz hinten in die Schublade packte, wuchs und wuchs, bis es fast der Summe entsprach, die ich dem Hotel in Tanger schuldig war. Es fehlte nicht mehr viel, doch die mir vom Hotel Continental zugestandene Frist lief ohnehin bald ab. Es war mir eine Genugtuung zu sehen, dass ich es schaffen konnte. Bald würde ich meine Freiheit wiederhaben. Über den Kriegsstand erfuhren wir aus der Zeitung und dem Radio. General Mola starb, und westlich von Madrid begann die Schlacht von Brunete. Félix behielt die Tradition bei, des Nachts auf ein Schwätzchen bei mir vorbeizuschauen, und auch Jamila blieb an meiner Seite, verbesserte ihr eigenartiges und weich klingendes Spanisch und begann, mir bei kleinen Aufgaben zur Hand zu gehen, machte ihre erste lockere Heftnaht, eine Schlaufe, nähte hier und da einen Knopf an. Nur selten wurde die Monotonie meiner Tage im Atelier durchbrochen. Aus den Nachbarwohnungen drangen lediglich die Geräusche der Hausarbeit und dann und wann ein paar entfernte Gesprächsfetzen aus den geöffneten Fenstern herüber, die zum Lichthof hinausgingen. Das und das stete Getrappel und Gehopse der Kinder in den Wohnungen über mir, die schon Schulferien hatten und hinausliefen, um auf der Straße zu spielen. Aber keins dieser Geräusche störte mich, ganz im Gegenteil – sie leisteten mir Gesellschaft, sorgten dafür, dass ich mich weniger alleine fühlte.
    Eines Nachmittags im Juli jedoch waren die Geräusche und Stimmen auffallend laut, und das Hin-und-her-Gerenne wollte kein Ende nehmen.
    » Sie sind da, sie sind da!« Gleich darauf vernahm man noch mehr Stimmen, Rufe, Türenschlagen und Namen, die unter lauten Schluchzern immer wieder geäußert wurden: » Concha, Concha! Carmela, meine Schwester! Nach so langer Zeit, Esperanza, endlich!«
    Ich hörte, wie Möbel gerückt wurden und man eilig viele Male die Treppen hinauf- und hinunterhastete. Ich hörte Gelächter, ich hörte Weinen und wie Anweisungen erteilt wurden: » Mach die Badewanne voll, hol mehr Handtücher, bring Kleider, Kissen! So gib dem Mädchen doch was zu essen, mach schon!« Mehr Weinen, mehr aufgeregte Rufe, mehr Gelächter. Es roch nach Essen, und zu später Stunde wurden Töpfe auf dem Herd hin und her geschoben. Und wieder: » Carmela, mein Gott, Concha, Concha!« Erst weit nach Mitternacht beruhigte sich das geschäftige Treiben. Kurz darauf erschien Félix bei mir, den ich endlich fragen konnte:
    » Was ist denn bei der Familie Herrera los? Die sind ja ganz aus dem Häuschen!«
    » Weißt du denn nichts davon? Josefinas Schwestern sind gekommen. Es ist ihnen gelungen, sie aus der roten Zone herauszuholen.«
    Am nächsten Morgen hörte ich wieder die Stimmen und Gepolter. Und

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