Das Echo der Traeume
er Rosalinda, was er, ohne verlegen zu werden, nicht müde wurde zu betonen. Marcus Logan und ich sahen uns inzwischen häufig, wir waren uns sympathisch und fühlten uns zueinander hingezogen, wobei ich mich um Zurückhaltung bemühte. Wenn ich es nicht getan hätte, wäre aus dieser zarten Freundschaft schon bald etwas viel Leidenschaftlicheres und Tieferes geworden. Doch ich kämpfte mit aller Macht dagegen an und hielt an meiner Haltung eisern fest, damit das, was uns einte, nicht zu mehr führte. Die Verletzungen, die Ramiro mir zugefügt hatte, waren noch nicht verheilt. Außerdem wusste ich, dass auch Marcus nicht für immer bleiben würde, und ich wollte nicht schon wieder leiden. Trotz allem waren wir häufig zu Gast bei den Festen in der Villa am Paseo de las Palmeras. Gelegentlich schloss sich uns ein frohlockender Félix an, glücklich, in diese fremde und so faszinierende Welt eintauchen zu dürfen. Einmal reisten wir als fröhlich lärmende Gruppe nach Tanger: Beigbeder hatte uns zur Eröffnung der Tageszeitung España eingeladen, jener Zeitung, die auf seine Initiative hin entstanden war, um der Welt seine Ideale und die seiner Mitstreiter mitzuteilen. Ein anderes Mal fuhren wir vier – Marcus, Félix, Rosalinda und ich – just for fun im Dodge meiner Freundin zu Saccone & Speed auf der Suche nach irischem Ochsenfleisch, Bacon und Gin, zum Tanzen in die Villa Harris, ins Capitol, um uns einen amerikanischen Film anzusehen, und ins Atelier zu Mariquita la Sombrerera, um ein paar ihrer spektakulären Hüte zu bestellen.
Wir flanierten durch die weiße Medina von Tetuán, aßen Couscous, einen Eintopf, der sich jarira nennt, und köstliche kleine Süßigkeiten, die chuparquías, kletterten auf den Dersa und den Gorgues und fuhren an den Río Martín und zum Gästehaus von Ketama, inmitten von Pinien gelegen und noch ohne Schnee. Bis diese unbeschwerte Zeit irgendwann vorüber war und das Unglück seinen Lauf nahm. Und erst da mussten wir feststellen, dass die Realität manchmal selbst die schlimmsten Befürchtungen übertraf. Das eröffnete mir Rosalinda kaum eine Woche nach der Ankunft ihres Mannes.
» Es ist noch viel schrecklicher, als ich es mir vorgestellt habe«, sagte sie und ließ sich in einen Sessel fallen, kaum dass sie mein Atelier betreten hatte.
Doch dieses Mal schien sie nicht aufgewühlt zu sein. Sie war nicht zornig, so wie damals, als sie die Nachricht erhielt. Was sie nun ausstrahlte, war Traurigkeit, Erschöpfung und eine tiefe, bodenlose Enttäuschung. Enttäuscht von Peter, von der Situation, in der sie sich befanden, von sich selbst. Nun war sie gut sechs Jahre lang alleine klargekommen und hatte gedacht, auf alles vorbereitet zu sein, hatte geglaubt, dass ihre Lebenserfahrung, die sie im Laufe dieser Zeit gesammelt hatte, ihr die nötigen Mittel an die Hand gegeben hatte, allen nur erdenklichen Widrigkeiten die Stirn zu bieten. Doch Peter war eine härtere Nuss als erwartet. Er spielte die Rolle des besitzergreifenden Ehemannes und Vaters, als wären sie nicht schon viele Jahre getrennt, als wäre im Leben von Rosalinda nichts geschehen, seit sie ihn damals als junges Mädchen geheiratet hatte. Er warf ihr vor, die Erziehung von Johnny nicht ernst genug zu nehmen. Es passte ihm nicht, dass ihr gemeinsamer Sohn auf keine renommierte Schule ging, dass er ohne Kindermädchen draußen mit den Nachbarsjungen umhertollte und dass sein einziger Sport darin bestand, Steine mit der gleichen Treffsicherheit zu werfen wie alle anderen Kinder von Tetuán. Er beklagte sich darüber, dass es keinen Radiosender nach seinem Geschmack gebe, und auch keinen Club, in dem er sich mit Landsleuten treffen könne, dass niemand in seiner Umgebung Englisch spreche und es sehr schwierig sei, in dieser abgeschiedenen Stadt an eine englische Zeitung zu kommen.
Doch nicht alles missfiel dem anspruchsvollen Peter. Mit dem Gin Marke Tanqueray und dem Whisky Johnny Walker Black Label, den man in Tanger damals noch zu einem lächerlich niedrigen Preis erstehen konnte, war er überaus zufrieden. Für gewöhnlich trank er mindestens eine Flasche Whisky täglich, die er mit ein paar Gin-Cocktails vor jeder Mahlzeit ergänzte. Was er an Alkohol vertrug, war erstaunlich und fast genauso schrecklich wie die Art, wie er mit dem Hauspersonal umsprang. Er sprach die Leute herablassend auf Englisch an, ohne sich daran zu stören, dass niemand von ihnen ein Wort verstand. Wenn ihm das bewusst wurde, brüllte er sie auf
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