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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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schönen Momente zu erinnern, die wir gemeinsam in jenen turbulenten und intensiven Tagen verbracht hatten. Nächte mit viel Gelächter und Wein, wir rauchten Kif und spielten ausgelassen Karten. Ausflüge nach Tanger, mit Freunden ausgehen und sich unterhalten – Augenblicke, die es so nie wieder geben würde und die in meinen Erinnerungen für das Ende eines Lebensabschnitts und den Beginn eines neuen standen.
    Und genau das Gleiche symbolisierte auch das unverhoffte Klingeln an meiner Wohnungstür in der Calle Sidi Mandri. Eine Tür schloss sich, eine andere öffnete sich. Und ich stand dazwischen, unfähig, das Gewesene zu halten, und konnte andererseits das Neue kaum erwarten.
    » Deine Mutter ist auf dem Weg. Gestern Nacht ist sie in Alicante an Bord gegangen und auf einem britischen Handelsschiff unterwegs nach Oran. Sie kommt in drei Tagen in Gibraltar an. Rosalinda kümmert sich darum, dass sie die Meerenge problemlos passieren kann. Sie wird dir auch sagen, wie es dann weitergeht.«
    Ich wollte ihm von ganzem Herzen danken, doch die Worte verschmolzen mit meinen Tränen, die mir in Strömen über die Wangen liefen, und mein Schluchzen riss sie mit sich fort. So konnte ich ihn nur unter Aufbietung all meiner Kräfte ganz fest umarmen und das Revers seines Jacketts durchnässen.
    » Und auch für mich ist es an der Zeit zu gehen«, fügte er kurz darauf hinzu.
    Schniefend sah ich ihn an. Er holte ein weißes Taschentuch hervor und reichte es mir.
    » Meine Agentur hat mich angefordert. Mein Auftrag in Marokko ist abgeschlossen, ich muss zurück.«
    » Nach Madrid?«
    Er zuckte mit den Achseln.
    » Zunächst nach London. Und von dort, wohin man mich schickt.«
    Ich umarmte ihn wieder, ich weinte wieder. Und als ich schließlich meine Gefühle in den Griff bekam, dieses Gemisch aus großer Freude und unendlicher Traurigkeit, stammelte ich mit gebrochener Stimme:
    » Bitte geh nicht, Marcus.«
    » Ich wünschte, es läge in meiner Macht. Aber ich kann nicht bleiben, Sira, sie brauchen mich woanders.«
    Ich starrte in das geliebte Gesicht. Noch konnte man die Narben erkennen, doch von dem übel zugerichteten Mann, der in jener Sommernacht ins Hotel Nacional gekommen war, war nicht viel geblieben. Damals begegnete ich, ängstlich und nervös, einem Unbekannten. Nun hatte ich die schmerzliche Aufgabe, mich von einem mir sehr nahestehenden Menschen zu verabschieden, der mir vielleicht mehr ans Herz gewachsen war, als ich mir eingestehen wollte.
    Ich musste wieder schluchzen.
    » Wenn du einer deiner Verlobten mal ein Kleid schenken willst, weißt du ja, wo du mich findest.«
    » Wenn ich eine Verlobte möchte, komme ich dich holen«, erwiderte er und streckte seine Hand nach meinem Gesicht aus. Er versuchte, die Tränen mit seinen Fingern zu trocknen. Seine Liebkosung ließ mich erbeben, und ich wünschte mir von ganzem Herzen, dass dieser Tag nie gekommen wäre.
    » Lügner«, murmelte ich.
    » Meine Schöne.«
    Seine Finger strichen über mein Gesicht, wanderten weiter nach oben bis zum Haaransatz und von dort hinab zu meinem Nacken. Unsere Gesichter näherten sich einander, langsam, als fürchteten sie, das zu tun, was schon so lange in der Luft gelegen hatte.
    Das laute Klappern eines Schlüsselbundes ließ uns auseinanderfahren. Jamila trat ein und überbrachte mir in ihrem sonderbaren Spanisch eine wichtige Botschaft.
    » Siñora Fox sagen Siñorita Sira soll laufen nach Palmeras, schnell.«
    Die Maschinerie lief an, das Ende nahte. Marcus schnappte sich seinen Hut, und ich musste ihn einfach noch mal umarmen. Zu sagen gab es nichts mehr. Kurz darauf war von seiner mir Sicherheit gebenden Gegenwart nur ein auf mein Haar gedrückter leichter Kuss geblieben, das Bild seines Rückens, als er ging, und das schmerzliche Schlagen der Tür, als er sie hinter sich zuzog.

DRITTER TEIL

33
    Mit Marcus’ Abreise und der Ankunft meiner Mutter nahm mein Leben eine radikale Wendung. An einem bewölkten Nachmittag kam sie an, furchtbar mager, mit leeren Händen und kummervollem Herzen, mit ihrer alten Handtasche als einzigem Gepäck, dem Kleid, das sie auf dem Leib trug, und einem falschen Pass, den sie mit einer Sicherheitsnadel am Träger ihres Büstenhalters befestigt hatte. Sie schien um zwanzig Jahre gealtert: Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, die Schlüsselbeinknochen standen spitz hervor, und aus den ersten grauen Haaren hier und da, an die ich mich von früher erinnerte, waren ganze silbergraue Strähnen

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