Das Echo der Traeume
England, fern meiner Familie, ohne die alten Freunde und Bekannten, die mich automatisch mit Peter und meiner chronischen Erkrankung in Verbindung brachten. Ein anderes Leben, zu dem anfangs nur mein Sohn und ich gehörten.«
» Damals hast du dich entschlossen, nach Portugal zu gehen, nicht wahr?«
» Die Ärzte rieten mir, mich an einem Ort mit gemäßigtem Klima niederzulassen: Südfrankreich, Spanien, Portugal, vielleicht der Norden Marokkos. Etwas, das klimatisch zwischen der tropischen Hitze Indiens und dem miserablen englischen Wetter lag. Sie verordneten mir eine Diät, empfahlen mir, viel Fisch und wenig Fleisch zu essen, häufig Sonnenbäder zu nehmen, jede körperliche Anstrengung und emotionale Belastungen zu meiden. Irgendjemand erzählte mir von der britischen Kolonie in Estoril, und ich beschloss, dass dieser Ort genauso gut war wie jeder andere. Also fuhr ich hin.«
Meine Vorstellungen von Rosalinda passten nun alle sehr viel besser zusammen. Die einzelnen Teile fügten sich zu einem Ganzen, das langsam einen Sinn ergab. Ich wünschte mir von ganzem Herzen, dass die Dinge sich zum Guten wendeten. Nun, wo ich endlich wusste, dass sie ganz und gar nicht auf Rosen gebettet war, fand ich, dass sie ein glückliches Leben verdient hatte.
32
Am nächsten Tag begleitete ich Marcus Logan zu seinem Besuch bei Rosalinda. Wie am Abend des Empfangs für Serrano Suñer holte er mich zu Hause ab, und wieder gingen wir gemeinsam durch die Straßen. Doch etwas zwischen uns hatte sich verändert. Unsere überstürzte Flucht vom Empfang des Hochkommissariats quer durch die Gärten und der eher friedliche Spaziergang in den frühen Morgenstunden durch die Stadt hatten meine Vorbehalte ihm gegenüber gewissermaßen abgeschwächt. Manchmal traute ich ihm, manchmal nicht, vielleicht würde ich es niemals genau wissen. Doch in gewisser Weise war es mir nun egal. Ich wusste, er bemühte sich um die Evakuierung meiner Mutter. Ich wusste auch, dass er zu mir höflich und zuvorkommend war, sich in Tetuán wohlfühlte. Und das war mehr als genug. Ich musste nichts weiter über ihn in Erfahrung bringen, denn der Tag seiner Abreise würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Rosalinda war noch immer bettlägerig, sah aber schon sehr viel besser aus. Sie hatte das Zimmer aufräumen lassen und gebadet, die Fensterläden waren geöffnet, und aus dem Garten strömte Licht herein. Am dritten Tag zog sie vom Bett aufs Sofa um. Am vierten tauschte sie das Seidennachthemd gegen ein geblümtes Kleid, ging zum Friseur und nahm wieder am gesellschaftlichen Leben teil.
Obwohl ihre Gesundheit noch nicht wiederhergestellt war, beschloss sie, die Zeit bis zur Ankunft ihres Ehemannes so intensiv wie möglich zu nutzen – als wären dies die letzten Wochen, die ihr zum Leben blieben. Erneut übernahm sie die Rolle der großzügigen Gastgeberin und schaffte eine angenehm entspannte Atmosphäre, in der sich Beigbeder ganz auf seine Öffentlichkeitsarbeit konzentrieren konnte, blindlings auf seine Geliebte vertrauend. Ich wusste jedoch nicht, wie die Anwesenden die Tatsache interpretierten, dass sie, die junge englische Geliebte, diese Zusammenkünfte arrangierte und sich der Hochkommissar der deutschfreundlichen Nationalisten bei ihnen ganz wie zu Hause fühlte. Doch Rosalinda verlor ihren Plan nicht aus den Augen, Beigbeder mit Briten zusammenzubringen, und viele der weniger protokollarischen Begegnungen waren diesem Ziel gewidmet.
In jenem Monat lud sie zu verschiedenen Gelegenheiten Landsleute aus Tanger zu sich ein, Mitglieder des diplomatischen Korps, Militärattachés jenseits des italienisch-deutschen Dunstkreises und Repräsentanten hochkarätiger multinationaler Institutionen. Sie organisierte auch ein Fest für die Vertreter Seiner Majestät des englischen Königs aus Gibraltar und die Offiziere eines britischen Kriegsschiffes, das dort im Hafen lag. Und unter all diesen Gästen spazierten Juan Luis Beigbeder y Atienza und Rosalinda mit Cocktail und Zigarette von einem zum anderen, ganz ungezwungen, gastfreundlich und herzlich. Als herrschte in Spanien kein Bruderkrieg und als würden in Europa nicht schon die Motoren für den schlimmsten aller Albträume warmlaufen.
Mehrmals hielt ich mich in Beigbeders Nähe auf und erlebte erneut seine ganz besondere Wesensart. Häufig zog er sich typisch marokkanisch an, trug eine Dschellaba und die dazugehörigen Pantoffeln. Er war sympathisch, natürlich, und darüber hinaus vergötterte
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