Das Echo der Traeume
da es den Rückzug seiner Truppen aus Polen verweigerte. Damit trat Rosalinda Fox’ Heimatland in den später als Zweiter Weltkrieg bezeichneten Konflikt ein, der zum blutigsten Konflikt der Geschichte werden sollte.
Die spanische Regierung zog von Burgos nach Madrid, ebenso hielten es die ausländischen Gesandtschaften, nachdem sie ihre Domizile, die mit einer schmutzigen Patina aus Tarnfarbe und Vernachlässigung überzogen gewesen waren, ein wenig verschönert hatten. Und während Beigbeder sich langsam mit den düsteren Räumen seines Amtssitzes – dem alten Palacio de Viana – vertraut machte, stürzte sich Rosalinda mit derselben Begeisterung auf zwei Aufgaben zugleich: zum einen, ihr neues Heim auszustatten, und zum anderen, sich in das Haifischbecken der besonders eleganten und kosmopolitischen Madrider Gesellschaft zu begeben – die sich wider Erwarten als Bollwerk des Überflusses und des schönen Scheins erwies.
Eine weniger selbständige Frau hätte vielleicht lieber gewartet, bis ihr einflussreicher Gefährte Kontakte zu den mächtigen Persönlichkeiten knüpfte, mit denen er sich zweifellos würde umgeben müssen. Doch Rosalinda war aus einem anderen Holz geschnitzt, und sosehr sie ihren Juan Luis auch anbetete, hatte sie doch nicht die geringste Absicht, sich in eine gehorsame Geliebte zu verwandeln, die lediglich im Kielwasser seines hohen Amtes schwamm. Sie schlug sich allein durch die Welt, seit sie noch nicht einmal zwanzig Jahre alt war. Natürlich hätten ihr die Beziehungen ihres Geliebten Tür und Tor öffnen können, doch sie beschloss wieder einmal, es allein zu schaffen. Um Anschluss zu finden, nutzte sie ihre altbewährten Strategien: Sie nahm wieder Verbindung zu alten Bekannten aus aller Herren Länder auf, die sie von ihren früheren Wohnorten kannte, und über sie und ihre Freunde und deren Freunde machte sie viele neue Bekanntschaften. Bald trafen die ersten Einladungen zu Empfängen und Tanzabenden, zu Mittagessen, Cocktailpartys und Jagdgesellschaften ein. Ehe Beigbeder zwischen den Bergen von Akten in seinem düsteren Büro und seinen zahlreichen Verpflichtungen überhaupt Atem schöpfen konnte, hatte Rosalinda schon ein Netz gesellschaftlicher Beziehungen geknüpft, damit es ihr in der Stadt, in die ihr unstetes Leben sie nun geführt hatte, nicht an Unterhaltung mangelte.
Doch in jenen ersten Monaten in Madrid verlief nicht alles glatt. Trotz ihres großen Geschicks im Knüpfen von Kontakten gelang es ihr gerade bei ihren eigenen Landsleuten nicht, auch nur eine einzige freundschaftliche Beziehung einzugehen. Als Erster weigerte sich der britische Botschafter, Sir Maurice Peterson, sie willkommen zu heißen. Und auf seinen Rat hin wurde sie praktisch von allen höheren Vertretern des diplomatischen Korps Großbritanniens in Madrid geschnitten. Sie konnten oder wollten in Rosalinda Fox keine potenzielle Quelle für Informationen aus erster Hand von einem Mitglied der spanischen Regierung sehen und ebenso wenig eine Landsmännin, die sie gemäß protokollarischer Gepflogenheiten zu ihren offiziellen Festakten und Feiern einladen sollten. Sie nahmen sie lediglich als lästige Person wahr, die sich mit der schnöden Ehre brüstete, ihr Leben mit einem Minister des neuen deutschfreundlichen Regimes zu teilen, dem die Regierung Ihrer Majestät in London nicht die geringste Sympathie entgegenbrachte.
Auch Beigbeder war in jener Zeit nicht auf Rosen gebettet. Der Umstand, dass er sich den ganzen Bürgerkrieg über aus den politischen Machenschaften herausgehalten hatte, führte nun dazu, dass er als Minister häufig zugunsten anderer Würdenträger übergangen wurde, die formell mehr Gewicht und mehr Macht im Hintergrund hatten. Beispielsweise der ohnehin schon mächtige Serrano Suñer, dem alle misstrauten und der den wenigsten angenehm war. » Es gibt drei Dinge in Spanien, die mich den letzten Nerv kosten: die Beihilfe, die Falange und der Schwager Seiner Exzellenz«, hieß es seinerzeit im Volksmund. » Die Straße herunter kommt der Großmächtige Herr / Früher war es der Nazarener, heute ist es Serrano Suñer«, lautete eine Zeile aus einem Scherzlied, das sie in Sevilla sangen.
Jener Serrano Suñer, der bei seinem Besuch in Marokko einen so guten Eindruck vom Hochkommissar gewonnen hatte, verwandelte sich jetzt, da die Beziehungen zwischen Spanien und Deutschland enger wurden und Hitler sich in seinem Expansionsdrang mit erschreckendem Tempo die Länder Europas
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