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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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gesellschaftlichen Kontakte zu pflegen, schränkte sie aber doch in hohem Maße ein. Dennoch öffnete sie ihr Haus wieder den Freunden und gab kleine Feste, ohne das Bett zu verlassen, sobald sich die ersten Anzeichen körperlicher Erholung zeigten. An fast allen nahm auch ich teil, meine Freundschaft mit Rosalinda setzte sich nahtlos fort. Doch nichts war mehr wie früher.

34
    Am 1. April 1939 wurde der letzte Kriegsbericht veröffentlicht. Von diesem Tag an gab es keine unterschiedlichen politischen Lager, keine Zahlungsmittel und Uniformen mehr, die das Land spalten konnten. Zumindest erzählte man dies den Menschen. Meine Mutter und ich hörten die Neuigkeit mit gemischten Gefühlen, ohne uns vorstellen zu können, was dieser Frieden mit sich bringen würde.
    » Wie wird es jetzt wohl in Madrid weitergehen, Mutter? Und was machen wir beide?«
    Fast flüsterten wir miteinander, als wir voller Unruhe auf dem Balkon standen und die lärmende Menschenmenge beobachteten, die sich auf der Straße drängte und mit euphorischen Rufen ihre Hochstimmung kundtat. » Wenn ich das nur wüsste«, antwortete sie düster.
    Die Ereignisse überstürzten sich. Es hieß, der Personenschiffsverkehr über die Meerenge werde wiedereröffnet, die Züge würden bald wieder bis Madrid durchfahren. Nach und nach wurde der Weg in unsere Vergangenheit wieder frei gemacht, nichts zwang uns mehr, in Nordafrika zu bleiben.
    » Willst du zurückgehen?«, fragte mich meine Mutter schließlich.
    » Ich weiß es nicht.«
    Ich wusste es wirklich nicht. Aus Madrid hatte ich mir einen großen Koffer voller sehnsüchtiger Erinnerungen bewahrt: Bilder aus Kindheit und Jugendzeit, die mich bestimmte Menschen, Straßen und Stimmungen nicht vergessen ließen. In meinem tiefsten Innern aber wusste ich nicht, ob all dies schwer genug wog für eine Rückkehr, die auch bedeuten würde, dass ich alles aufgeben müsste, was ich mir mit so viel Mühe in Tetuán aufgebaut hatte, in der weißen Stadt, wo sich meine Mutter befand, meine neuen Freunde und mein Atelier, das uns das tägliche Brot verschaffte.
    » Vielleicht ist es vorerst besser, wenn wir noch bleiben«, meinte ich.
    Sie gab mir keine Antwort, nickte nur zustimmend, verließ den Balkon und machte sich wieder an die Arbeit, flüchtete sich zu Nadel und Faden, um nicht über die Tragweite dieser Entscheidung nachdenken zu müssen.
    Ein neuer Staat wurde geboren, ein Neues Spanien, ein Spanien der Ordnung, sagten sie. Für die einen kam der siegreiche Frieden, für die anderen öffnete sich ein gähnender Abgrund. Die meisten fremden Staaten erkannten den Sieg der Nationalisten an und erklärten deren Regierung für rechtmäßig. Das Durcheinander der Bürgerkriegszeit begann sich langsam zu klären, die Machtinstitutionen verabschiedeten sich nach und nach aus Burgos und kehrten in die Hauptstadt zurück. Ein neuer Verwaltungsapparat wurde aufgebaut. Man begann mit dem Wiederaufbau all dessen, was im Krieg zerstört worden war. Die Säuberung der Gesellschaft von unerwünschten Personen wurde beschleunigt, und die Helfershelfer der siegreichen Partei standen Schlange, um ihr Stück vom Kuchen in Empfang zu nehmen. Einige Monate lang erließ noch die Kriegsregierung Dekrete und Verordnungen – die Umbildung sollte noch bis weit in den Sommer auf sich warten lassen. Ich wusste davon jedoch bereits im Juli, kaum dass die Nachricht nach Marokko gelangt war. Und ehe das Hochkommissariat davon Wind bekam und sich das Gerücht in den Straßen von Tetuán verbreiten konnte. Sogar schon lange bevor der Name und die Fotografie in den Tageszeitungen erschienen und ganz Spanien sich fragte, wer dieser Herr mit dem dunklen Teint, dem schwarzen Schnurrbart und der runden Brille war. Längst hatte ich Kenntnis davon, wen der Caudillo auserwählt hatte, bei den Sitzungen seines ersten Ministerrats in Friedenszeiten zu seiner Rechten zu sitzen: Don Juan Luis Beigbeder y Atienza in seiner Eigenschaft als neuer Außenminister, das einzige Kabinettsmitglied mit einem niedrigeren als dem Generalsrang.
    Bei Rosalinda löste die unerwartete Neuigkeit widersprüchliche Gefühle aus: Freude über die Auszeichnung, die dieses Amt für ihren Geliebten bedeutete, aber auch Trauer beim Gedanken an die unvermeidliche Abreise aus Marokko. Es standen turbulente Tage an, an denen der Hochkommissar zwischen der Halbinsel und dem Protektorat hin und her reiste, dort Dinge in Gang, hier Dinge zu Ende brachte, den Zustand der

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