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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Welt so sehr, dass auf seinem Schreibtisch im Ministerium stets ein geöffneter Koran lag, dessen Verse er hin und wieder laut auf Arabisch rezitierte, sehr zur Verwunderung derjenigen, die es mitbekamen. Er sehnte sich so sehr nach jenem Land, dass er in seiner Residenz im Palacio de Viana eine Unmenge an marokkanischer Kleidung hortete, und sobald er am frühen Abend nach Hause zurückkehrte, legte er den langweiligen grauen Dreiteiler ab und warf sich eine Dschellaba aus Samt über. Er aß sogar nach arabischer Art mit drei Fingern direkt aus den Schüsseln und wurde nicht müde zu wiederholen, dass die Marokkaner und die Spanier Brüder seien. Und manchmal, wenn er nach den endlosen Auseinandersetzungen am Ende des Tages endlich allein war, meinte er zwischen dem Kreischen der Straßenbahnen, die vollgestopft mit Menschen durch die schmutzigen Straßen ratterten, den Klang von Schalmeien zu hören, von Flöten und Schellentrommeln. Und an besonders trüben Tagen kam es ihm morgens sogar vor, als würde ihm, vermischt mit dem Gestank aus den Abwasserkanälen, der Duft von Orangenblüten in die Nase steigen, von Jasmin und Nanaminze. Dann sah er sich wieder zwischen den weiß getünchten Mauern der Medina von Tetuán umherschlendern, im sonnenfleckigen Licht von Kletterpflanzen, begleitet vom sanften Plätschern der Brunnen und dem Wind, der über die Zuckerrohrfelder strich. An diese nostalgischen Erinnerungen klammerte er sich wie ein Schiffbrüchiger an eine Holzplanke, doch wie ein unheilvoller Schatten lauerte in seiner Nähe auch stets Serrano Suñer, allzeit bereit, ihn mit spitzer Zunge aus seinen Träumereien zu reißen.
    » Herr im Himmel, Beigbeder, hören Sie doch endlich einmal damit auf, wir Spanier seien alle Araber. Schaue ich vielleicht aus wie ein moro? Oder der Caudillo? Also lassen Sie es endlich gut sein mit diesem Unsinn, verdammt, ich habe die Nase voll davon, den ganzen verdammten Tag die gleiche Leier.«
    Es war eine schwierige Zeit, ja. Für beide. Obwohl Rosalinda sich hartnäckig um das Wohlwollen Botschafter Petersons bemühte, besserte sich das Verhältnis zu ihren Landsleuten auch in den folgenden Monaten nicht. Die einzige freundliche Geste war zum Ende jenes Jahres eine Einladung, mit ihrem Sohn und anderen Müttern um das Klavier der Botschaft herum gruppiert Weihnachtslieder zu singen. Auf eine radikale Wende sollten Rosalinda und Beigbeder noch bis Mai 1940 warten müssen, als Churchill zum Premierminister ernannt wurde und entschied, seinen diplomatischen Vertreter in Spanien von heute auf morgen abzuberufen. Von da an änderten sich die Dinge. Radikal und von Grund auf. Für alle.

35
    Sir Samuel Hoare, der nun den hochtrabenden Titel eines Sonderbotschafters führte, traf Ende Mai 1940 in Madrid ein. Er hatte nie zuvor spanischen Boden betreten, noch sprach er ein Wort Spanisch oder hegte Sympathie für Franco und sein Regime, doch Churchill setzte sein ganzes Vertrauen in ihn und drängte ihn, das Amt zu übernehmen. Spanien kam in diesem neuen Krieg in Europa eine Schlüsselrolle zu, und Churchill wollte dort einen starken Mann wissen, der die englische Fahne hochhielt. Es war für die britischen Interessen von entscheidender Bedeutung, dass die spanische Regierung sich neutral verhielt, dass Gibraltar von einer Invasion verschont blieb und die Häfen am Atlantik nicht in die Hände der Deutschen fielen. Großbritannien hatte das hungernde Spanien über den Außenhandel unter Druck gesetzt, um ein Minimum an Kooperationsbereitschaft zu erreichen, die Erdöllieferungen eingeschränkt und den Strick immer enger gezogen. Zuckerbrot und Peitsche, hieß das Motto. Mit dem Vormarsch deutscher Truppen in Europa genügte dies jedoch nicht mehr: Man musste sich in Madrid aktiver, nachhaltiger einbringen. Mit dieser Aufgabe im Gepäck landete in der spanischen Hauptstadt nun jener klein gewachsene, schon etwas verbraucht wirkende, fast nichtssagende Mann – Sir Sam für enge Mitarbeiter, Don Samuel für die wenigen Freunde, die er sich mit der Zeit in Spanien machte.
    Hoares Begeisterung über diesen Posten hielt sich in Grenzen. Das Land sagte ihm nicht zu, der spanische Nationalcharakter war ihm fremd, er hatte nicht einmal Bekannte in jenem seltsamen, verwüsteten und staubigen Spanien. Er wusste, dass man ihn nicht mit offenen Armen empfangen würde, denn die Franco-Regierung machte keinen Hehl aus ihrer antibritischen Einstellung. Damit ihm das auch von Anfang an klar war,

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