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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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kämpfen für ihre Gefolgschaft, und so soll es auch sein, doch sie sollten es besonnen und planvoll tun, ohne Ressentiments und erhitzte Gemüter. Die Wohlhabenden und die Monarchisten setzen sich in der Zwischenzeit verängstigt ins Ausland ab. Und schließlich werden wir am Ende damit nur erreichen, dass sich die Streitkräfte erheben und einen Militärstaat errichten, und dann haben wir wirklich etwas, worüber wir klagen können. Oder sie stürzen uns in einen Bürgerkrieg, hetzen uns gegeneinander auf, und es endet damit, dass wir uns gegenseitig umbringen.«
    Er sprach mit Nachdruck und ohne Pause. Bis ihn auf einmal die Realität einholte und ihm auffiel, dass sowohl meine Mutter als auch ich – trotz unseres Bemühens, Haltung zu bewahren – vollkommen verunsichert waren. Wir wussten weder, worauf er mit seiner flammenden Rede hinauswollte, noch, was wir mit diesem verbalen Rundumschlag zu tun hatten.
    » Verzeiht mir, dass ich euch mit all diesen Dingen behellige, doch ich habe lange darüber nachgedacht und denke, dass es nun an der Zeit ist zu handeln. Dieses Land geht seinem Untergang entgegen. Das ist Irrsinn, vollkommen verrückt, und mich werden sie, wie ich euch schon sagte, in den nächsten Tagen umbringen. Das Blatt wendet sich, und es ist nicht leicht, sich dem Weltlauf anzupassen. Über dreißig Jahre habe ich wie ein Wahnsinniger geschuftet und mich für mein Geschäft eingesetzt und versucht, meiner Aufgabe gerecht zu werden. Aber entweder habe ich gerade eine Pechsträhne oder an einem wichtigen Punkt meines Lebens die falsche Entscheidung getroffen, weil mir jetzt jeder den Rücken kehrt und das Leben mir vor die Füße zu spucken scheint. Meine Söhne haben sich von mir abgewandt, meine Frau hat mich verlassen, und der Alltag in meiner Firma ist zum Albtraum geworden. Ich bin allein, es gibt niemanden, der mir zur Seite steht, und ich bin überzeugt, dass alles nur noch schlimmer werden kann. Deshalb bereite ich mich vor, ordne meine Angelegenheiten, Papiere, Konten. Verfüge meinen Letzten Willen und bemühe mich, alles gut zu organisieren für den Fall, dass ich eines Tages nicht mehr nach Hause kommen sollte. Ebenso wie meine Geschäfte versuche ich meine Erinnerungen und Empfindungen zu sortieren, wenn mir auch nur wenige geblieben sind. Je schwärzer ich alles um mich herum sehe, desto gefühlsduseliger werde ich und wühle in meiner Erinnerung nach dem Guten, das das Leben mir beschert hat. Und nun, wo meine Tage gezählt sind, wird mir plötzlich bewusst, wofür es sich wirklich gelohnt hat zu leben. Weißt du, was ich meine, Dolores? Dich. Dich und unsere Tochter, die dein Ebenbild aus jener Zeit ist, in der wir zusammen waren. Deshalb wollte ich euch sehen.«
    Gonzalo Alvarado, mein Vater, der endlich ein Gesicht und einen Namen hatte, sprach inzwischen sehr viel ruhiger. Mitten in seinem verbalen Ausbruch schimmerte auf einmal der Mann durch, der er wahrscheinlich tagtäglich war, wenn das Leben ihm nicht gerade so übel mitspielte wie zurzeit: selbstsicher, überzeugend in Gestik und Ausdruck, daran gewöhnt, Anordnungen zu erlassen und das Recht auf seiner Seite zu haben. Es hatte ihn Mühe gekostet, den Anfang zu machen. Es war vermutlich nicht besonders angenehm, sich einer verlorenen Liebe und einer unbekannten Tochter zu stellen, nachdem man ein Vierteljahrhundert nichts von sich hatte hören lassen. Doch in jenem Moment unserer Begegnung schien er ganz und gar in seinem Element, war die Selbstsicherheit in Person und vollkommen Herr der Lage. Überzeugend in seiner Rede, aufrichtig und schonungslos, wie es nur jemand sein kann, der nichts mehr zu verlieren hat.
    » Weißt du was, Sira? Ich habe deine Mutter wirklich geliebt. Ich habe sie wirklich sehr, sehr geliebt, und womöglich wäre alles ganz anders gekommen, wenn ich sie stets an meiner Seite gehabt hätte. Doch bedauerlicherweise war dem nicht so.«
    Er wandte sich von mir ab und sah zu ihr hinüber. Zu ihren großen haselnussbraunen Augen, die das Nähen satthatten. Zu ihrem wunderschönen Gesicht der reifen Frau, das ungeschminkt und faltenlos war.
    » Ich habe nicht wirklich um dich gekämpft, nicht wahr, Dolores? Ich war unfähig, meiner Familie die Stirn zu bieten, und hatte nicht deinen Schneid. Später, aber das weißt du ja, habe ich mich mit dem Leben abgefunden, das von mir erwartet wurde, mich an eine andere Frau und an eine andere Familie gewöhnt.«
    Meine Mutter hörte – scheinbar ungerührt –

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