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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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stillschweigend zu. Ich hätte weder sagen können, ob sie ihre Gefühle verbarg, noch, ob diese Worte ihr nahegingen oder sie kaltließen. Sie saß einfach nur würdevoll da. Mit ihren für mich undurchschaubaren Gedanken und in jenem perfekt sitzenden Schneiderkostüm, das ich nie zuvor an ihr gesehen hatte und das sie sicher aus dem geschenkten Stoffrest einer Frau gemacht hatte, die mehr Stoffe und mehr Glück im Leben gehabt hatte. Er, der sich durch ihre offensichtliche Teilnahmslosigkeit nicht aufhalten ließ, fuhr fort:
    » Ich weiß nicht, ob ihr mir glauben werdet oder nicht, aber ehrlich gesagt, jetzt, wo ich weiß, dass mein Ende naht, bedauere ich es von Herzen, dass so viele Jahre vergangen sind, in denen ich mich nicht um euch gekümmert, dich, Sira, nicht einmal kennengelernt habe. Ich hätte mehr insistieren, meiner Verpflichtung nachkommen sollen, um euch in meiner Nähe zu haben. Doch die Dinge waren nun mal, wie sie waren, und du, Dolores, warst zu stolz: Du hättest es nicht zugelassen, dass ich euch mit gelegentlichen Besuchen abspeise. Wenn nicht alles, dann eben gar nichts. Deine Mutter ist sehr hart, mein Mädchen, sehr hart und sehr unnachgiebig. Und ich bin vermutlich ein Schwächling und ein Idiot, doch nun ist nicht die Zeit für Klagen.«
    Nachdenklich und ohne uns anzusehen, schwieg er einen Moment. Anschließend atmete er tief ein und kraftvoll wieder aus. Seine Körperhaltung veränderte sich: Die Schultern lösten sich von der Rückenlehne des Sessels, er beugte sich nach vorne, als wollte er direkter werden, hätte sich nun entschieden, endlich auszusprechen, was er sich vorgenommen hatte, uns zu sagen. Er schien bereit, sich von den bitteren Erinnerungen zu lösen, die seine Vergangenheit überschatteten, war nun in der Lage, sich den irdischen Aufgaben der Gegenwart zu stellen.
    » Ich will euch nicht über Gebühr mit meinen trübsinnigen Gedanken langweilen, verzeiht mir. Kommen wir zum Wesentlichen. Ich habe nach euch geschickt, um euch meinen Letzten Willen kundzutun. Und ich bitte euch beide, mir gut zuzuhören und mich nicht misszuverstehen. Meine Absicht ist es weder, euch für die Jahre zu entschädigen, die ich nicht bei euch war, noch möchte ich mit Geschenken meine Reue bekunden, und noch weniger versuche ich ausgerechnet jetzt, eure Wertschätzung zu erkaufen. Das Einzige, was ich möchte, ist, die Fäden zusammenzuführen, die meiner Meinung nach rechtmäßig zusammengehören, wenn meine Stunde gekommen ist.«
    Zum ersten Mal, seit wir hier saßen, erhob er sich aus seinem Sessel und ging zum Schreibtisch hinüber. Ich blickte ihm nach, bemerkte seine breiten Schultern, den guten Sitz seines Jacketts, seinen trotz der Leibesfülle leichtfüßigen Gang. Mein Blick blieb auf dem Gemälde hinten an der Wand hängen, auf das er sich zubewegte und das wegen seiner Größe nicht zu übersehen war. Es zeigte eine elegante, im Stil der Jahrhundertwende gekleidete Dame, weder schön noch hässlich, mit einer Tiara im kurzen, gelockten Haar: ein mürrisches Gesicht in Öl in einem mit Blattgold belegten Rahmen. Als er sich umdrehte, deutete er mit dem Kinn darauf.
    » Meine Mutter, die große Doña Carlota, deine Großmutter. Erinnerst du dich an sie, Dolores? Sie ist vor sieben Jahren gestorben. Hätte sie vor fünfundzwanzig Jahren das Zeitliche gesegnet, dann wärst du, Sira, vermutlich in diesem Haus geboren worden. Nun ja, lassen wir die Toten in Frieden ruhen.«
    Er redete, ohne uns anzusehen, war mit den Sachen auf dem Tisch beschäftigt. Er öffnete Schubladen, nahm Gegenstände heraus, ging Papiere durch und kehrte mit vollen Händen zu uns zurück. Während er auf uns zukam, ließ er meine Mutter nicht aus den Augen.
    » Du bist noch immer hübsch, Dolores«, sagte er, als er sich setzte. Er war nicht mehr angespannt, sein anfängliches Unbehagen verflogen. » Entschuldigt, ich habe euch gar nichts angeboten. Möchtet ihr etwas trinken? Ich werde Servanda rufen …« Er schickte sich an, noch einmal aufzustehen, doch meine Mutter unterbrach ihn.
    » Wir möchten nichts, Gonzalo, danke. Lass uns zum Ende kommen.«
    » Erinnerst du dich an Servanda, Dolores? Wie sie uns ausspioniert hat, uns folgte, um hinterher alles brühwarm meiner Mutter zu berichten.« Er brach in schallendes Gelächter aus, das heiser, kurz, bitter ausfiel. » Erinnerst du dich, als sie uns im Bügelzimmer erwischte? Nein, was für eine Ironie nach all den Jahren: Meine Mutter vermodert auf dem

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