Das Echo der Traeume
Friedhof, und ich lebe hier mit Servanda, der Einzigen, die sich um mich kümmert. Was für ein trauriges Schicksal! Ich hätte sie entlassen müssen, als meine Mutter starb, aber wohin hätte sie gehen sollen, die arme Frau, alt, taub und ohne Familie? Und außerdem hatte sie damals wahrscheinlich keine andere Wahl, als das zu tun, was meine Mutter ihr befahl. Schließlich konnte sie nicht einfach ohne Weiteres auf diese Arbeit verzichten, obwohl Doña Carlota unausstehlich war und dem Personal das Leben schwer machte. Nun gut, wenn ihr nichts wollt, nehme ich auch nichts. Fahren wir also fort.«
Er blieb auf der Sesselkante sitzen, lehnte sich nicht an. Seine großen Hände ruhten auf einem ganzen Stapel von Dingen, die er vom Schreibtisch mitgebracht hatte. Papiere, Pakete, Kästchen. Aus der Innentasche seines Jacketts zog er eine Brille mit Metallgestell hervor und setzte sie auf.
» Gut, beginnen wir mit dem Praktischen. Also, der Reihe nach.«
Er griff sich als Erstes ein Paket, das in Wirklichkeit zwei große, sperrige Umschläge waren, die in der Mitte von einem Gummiband zusammengehalten wurden.
» Das ist für dich, Sira, damit du dir im Leben Chancen eröffnen kannst. Es ist kein Drittel meines Vermögens, wie es dir gerechterweise zustehen würde, da du eine meiner drei Nachkommen bist, doch es ist alles, was ich dir momentan an Bargeld geben kann. Ich habe kaum etwas verkaufen können, die Zeiten sind schlecht für solche Transaktionen. Ich bin derzeit auch nicht in der Lage, dir Eigentum zu übertragen, weil du gesetzlich nicht als meine Tochter anerkannt bist und aufgrund der Rechtslage keine Chance hättest. Zudem müsstest du dich mit meinen Söhnen in endlosen Prozessen gerichtlich auseinandersetzen. So erhältst du dagegen immerhin fast hundertfünfzigtausend Peseten. Du scheinst ein aufgewecktes Mädchen zu sein, ganz die Mutter. Du wirst es sicher gut anlegen. Mit diesem Geld möchte ich auch, dass du dich um deine Mutter kümmerst, darauf achtest, dass es ihr an nichts fehlt, und sie unterstützt, wenn es eines Tages nötig sein sollte. Eigentlich wollte ich die Summe unter euch beiden aufteilen, für jede von euch die Hälfte, aber da ich weiß, dass Dolores es niemals annehmen würde, übergebe ich dir die gesamte Summe zu treuen Händen.«
Er hielt mir das Paket hin. Bevor ich es nahm, sah ich jedoch unschlüssig zu meiner Mutter, denn ich wusste nicht, was ich tun sollte. Mit einer kurzen und knappen Geste gab sie ihre Einwilligung. Erst dann streckte ich die Hände aus.
» Vielen Dank«, murmelte ich.
Bevor er antwortete, schenkte er mir ein sprödes Lächeln.
» Nichts zu danken, meine Tochter, nichts zu danken. Gut, fahren wir fort.«
Als Nächstes nahm er ein mit blauem Samt bezogenes Kästchen und öffnete es. Dann griff er sich ein anderes, das granatrot und deutlich kleiner war. Auch dieses machte er auf. So ging es weiter, bis schließlich fünf Schatullen geöffnet vor uns auf dem Tisch standen. Die Schmuckstücke, die darin lagen, funkelten nicht, dazu war es zu dunkel, dennoch konnte man erahnen, dass sie wertvoll waren.
» Dieser Schmuck gehörte einst meiner Mutter. Es gibt noch mehr davon, aber María Luisa, meine Frau, hat die Sachen in ihr frommes Exil mitgenommen. Doch die kostbarsten Stücke ließ sie zurück, vermutlich weil sie zu auffällig waren. Dieser Schmuck ist für dich, Sira. Am besten, du trägst ihn nie in der Öffentlichkeit. Wie du siehst, sticht er allzu sehr ins Auge. Aber du kannst ihn verkaufen oder verpfänden, wenn es einmal nötig sein sollte, und dafür ordentlich Geld bekommen.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Meine Mutter schon.
» Auf keinen Fall, Gonzalo. All das gehört deiner Frau.«
» Nichts von alledem«, entgegnete er. » All das, meine liebe Dolores, ist nicht Eigentum meiner Frau. Der Schmuck gehört mir, und mein Wunsch ist es, ihn an meine Tochter weiterzugeben.«
» Das kannst du nicht machen, Gonzalo, das geht nicht.«
» Doch.«
» Nein.«
» Ja.«
Hier endete die Diskussion. Dolores wusste nichts mehr zu erwidern, sie hatte die Schlacht verloren. Er schloss die Kästchen eins nach dem anderen, stapelte sie anschließend zu einer ordentlichen Pyramide – das größte Kästchen zuunterst, das kleinste zuoberst – und schob das Ganze über den polierten Tisch in meine Richtung. Als der kleine Turm vor mir stand, richtete sich seine Aufmerksamkeit auf ein paar Schriftstücke. Er faltete sie auseinander und
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