Das Echo der Traeume
Küche, löste das Band, das die Blumen zusammenhielt, und schloss mich, nachdem ich Martina gebeten hatte, sie ins Wasser zu stellen, in mein Zimmer ein. Aus der Linie von Strichen und Punkten sprang mir sofort die Botschaft entgegen: » Anstellen Person absolut vertrauenswürdig ohne rote Vergangenheit oder politische Verwicklungen.«
Befehl erhalten. Und damit jede Menge Ungewissheit.
41
Als sie die Tür öffnete, blickte ich sie nur schweigend an, obwohl ich sie am liebsten in den Arm genommen hätte. Sie musterte mich von oben bis unten mit verwirrter Miene. Dann suchte sie meine Augen, die jedoch mein Hutschleier verdeckte.
» Was wünschen Sie, Señora?«, fragte sie schließlich.
Sie war dünner geworden. Und man sah ihr an, dass die letzten Jahre schwer gewesen waren. Klein wie immer, aber dünner und älter. Ich lächelte sie an. Sie erkannte mich immer noch nicht.
» Ich bringe Ihnen Grüße von meiner Mutter, Doña Manuela. Sie lebt in Marokko und näht wieder.«
Sie schaute mich verwundert an, ohne zu begreifen. Doña Manuela war nach wie vor eine gepflegte Erscheinung, doch das Haar war offensichtlich seit Monaten nicht mehr nachgefärbt worden, und das dunkle Kleid, das sie trug, hatte sicher schon einige Winter gesehen, denn es hatte abgewetzte Stellen.
» Ich bin’s, Sira, Doña Manuela. Sirita, die Tochter Ihrer Gesellin Dolores.«
Wieder musterte sie mich von Kopf bis Fuß. Da ging ich ein wenig in die Knie, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein, und hob den Hutschleier, damit sie mein Gesicht besser sehen konnte.
» Ich bin’s, Doña Manuela, Sira. Erinnern Sie sich denn nicht mehr an mich?«, flüsterte ich.
» Heilige Mutter Gottes! Sira, Herzchen, was für eine Freude!«, rief sie schließlich aus.
Sie schlang die Arme um mich und begann zu weinen, und ich musste mich sehr zusammennehmen, um nicht ebenfalls in Tränen auszubrechen.
» Komm herein, Liebes, komm herein, bleib nicht an der Tür stehen«, sagte sie, als sie sich wieder gefasst hatte. » Wie elegant du bist, Herzchen, ich habe dich gar nicht erkannt. Komm, komm ins Wohnzimmer, erzähl, was machst du in Madrid, wie geht es dir, wie geht es deiner Mutter?«
Sie führte mich ins Wohnzimmer, und mich überkamen wehmütige Erinnerungen. Wie oft hatte ich als kleines Mädchen am Dreikönigstag, wenn die Kinder beschenkt werden, an der Hand meiner Mutter dieses Zimmer betreten und fieberhaft überlegt, was Kaspar, Melchior und Balthasar wohl für mich bei Doña Manuela dagelassen hatten. Ihre Wohnung in der Calle Santa Engracia war mir als sehr groß und luxuriös in Erinnerung, nicht so groß natürlich wie ihr Atelier in der Calle Zurbano, aber doch kein Vergleich mit unserer bescheidenen Behausung in der Calle de la Redondilla. Nun jedoch stellte ich fest, dass die Kindheitserinnerungen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmten. Doña Manuelas Zuhause, in dem sie ihr ganzes langes Leben als unverheiratete Frau verbracht hatte, war weder besonders groß noch luxuriös. Es war eine Wohnung von mittlerer Größe, schlecht geschnitten, kalt und düster, vollgestopft mit dunklen Möbeln. Die schweren Samtvorhänge, die schon längst aus der Mode waren, ließen kaum Tageslicht herein. Eine ganz gewöhnliche Wohnung mit Wasserflecken, mit verblichenen Kunstdrucken an den Wänden und lappigen Deckchen aus Häkelspitze überall.
» Setz dich, meine Liebe, setz dich. Willst du etwas trinken? Soll ich dir ein Tässchen Kaffee machen? Richtigen Kaffee habe ich nicht, nur geröstete Zichorie, du weißt ja, wie schwierig es heutzutage mit den Lebensmitteln ist, aber mit ein bisschen Milch schmeckt er nicht so bitter, obwohl die Milch auch jeden Tag wässriger wird, aber was will man machen. Zucker habe ich keinen, was ich für meine Bezugsscheine bekommen habe, habe ich einer Nachbarin für ihre Kinder gegeben. In meinem Alter …«
Ich unterbrach ihren Redefluss und nahm ihre Hand.
» Ich möchte nichts trinken, Doña Manuela, machen Sie sich keine Umstände. Ich bin gekommen, um Sie etwas zu fragen.«
» Was denn?«
» Nähen Sie noch?«
» Nein, Liebes, nein. Seit wir das Geschäft 1935 geschlossen haben, habe ich nichts mehr genäht. Hier und da mal ein Kleid für eine Freundin oder weil ich es jemandem versprochen hatte, aber mehr nicht. Wenn ich mich recht erinnere, war dein Brautkleid die letzte große Arbeit, an der ich gesessen habe, und am Ende …«
Die Erinnerungen an diese Zeit ersparte ich mir lieber, deshalb ließ
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