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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Unternehmungen hatte. Denn genau dies begann mir in jenen Tagen immer mehr zu fehlen: Zeit. Es sprach sich herum wie ein Lauffeuer, welche herrlichen Stoffe ich auf Lager hatte, und mein neues Atelier wurde schnell bekannt und beliebt. Tag für Tag bekam ich mehr Aufträge, ich konnte die Arbeit allein nicht mehr bewältigen und sah mich gezwungen, Aufträge zurückzustellen und Anproben hinauszuschieben. Ich arbeitete viel, sehr viel, mehr als jemals zuvor in meinem Leben. Oft ging ich erst mitten in der Nacht, am frühen Morgen zu Bett, ich konnte mich kaum ausruhen. Es gab Tage, da legte ich das Metermaß, das ich mir immer um den Hals hängte, erst beiseite, wenn ich todmüde ins Bett sank. Meine kleine Schatzkiste erlebte einen ununterbrochenen Zustrom an Geld, doch es interessierte mich so wenig, dass ich mir noch nicht einmal die Zeit nahm nachzuzählen, wie viel ich verdient hatte. Wie anders war es in meinem alten Atelier gewesen. Manchmal kamen mir, vermischt mit ein bisschen Wehmut, Erinnerungen an jene erste Zeit in Tetuán in den Sinn. Wie ich nächtens in meinem Zimmer in der Calle Sidi Mandri ein ums andere Mal die Geldscheine zählte und ungeduldig rechnete, wann ich meine Schulden endlich würde begleichen können. Wie Candelaria von den jüdischen Geldwechslern zurückkam, ein zusammengerolltes Bündel Pfund-Sterling-Noten zwischen den Brüsten versteckt. Die fast kindliche Freude, mit der wir das Geld aufteilten: » Eine Hälfte für mich, die andere für dich. Möge es uns nie daran mangeln, Herzchen«, sagte die Schmugglerin Monat um Monat. Es kam mir vor, als trennten mich Jahrhunderte von jener anderen Welt, und doch waren seither erst vier Jahre vergangen. Vier Jahre, so lang wie vier Ewigkeiten. Wo war jene Sira geblieben, der ein marokkanisches Mädchen in der Küche der Pension in der Calle Luneta mit der Schneiderschere die Haare schnitt, wo jene Posen, die ich vor dem halb blinden Spiegel meiner Pensionswirtin unermüdlich geübt hatte? Sie verloren sich mit der Zeit. Heute ließ ich mir im besten Salon von Madrid die Haare machen, und jene lässig-eleganten Gesten kamen mir schon natürlicher vor als meine eigenen Zähne.
    Ich arbeitete viel und verdiente mehr Geld, als ich mir je hätte träumen lassen. Ich verlangte hohe Preise, und so erhielt ich ständig Hundertpesetenscheine mit dem Bild von Christoph Kolumbus und Fünfhundertpesetenscheine mit dem Gesicht des Don Juan de Austria darauf. Ich verdiente viel, ja, aber es kam der Moment, da ich mit meinen Kräften am Ende war, und das musste ich Hillgarth mittels eines Schnittmusters für eine Schulterpasse wissen lassen. Regen fiel auf den Prado, als ich das Museum an jenem Samstag aufsuchte. Während ich hingerissen die Bilder von Velázquez und Zurbarán betrachtete, nahm der unauffällige Mann an der Garderobe meine Mappe entgegen, in der ein Umschlag mit elf Botschaften steckte, die wie immer unverzüglich dem Marineattaché zugeleitet würden. Zehn enthielten Informationen der üblichen Art, in der vereinbarten Weise abgekürzt. » Abendessen am 14. bei Walter Bastian Calle Serrano, eingeladen Herr und Frau Lazar. Herr und Frau Bodemüller nach San Sebastián nächste Woche. Frau Lazar kritisiert Arthur Dietrich, Assistent ihres Mannes. Gloria Fürstenberg und Anka von Fries besuchen deutschen Konsul Sevilla Ende Oktober. Mehrere junge Männer ankommen vergangene Woche aus Berlin, abgestiegen Ritz, Empfang und Einweisung durch Friedrich Knappe. Himmler ankommt Spanien 21. Oktober, Regierung und Deutsche vorbereiten großen Empfang. Clara Stauffer abholt Material für deutsche Soldaten in Wohnung Calle Galileo. Abendessen Club Puerta Hierro Datum offen eingeladen Graf und Gräfin Argillo. Häberlein gibt Mittagessen Finca Toledo, Serrano Suñer und Marquesa Llanzol eingeladen.« Bei der letzten Botschaft ging es jedoch um etwas Persönliches: » Zu viel Arbeit. Keine Zeit für alles. Weniger Kunden oder Hilfe nötig. Bitte Bescheid.«
    Am nächsten Morgen wurde ein wunderschöner Strauß weißer Gladiolen bei mir abgeliefert. Ein Botenjunge in einer grauen Uniform brachte ihn, und auf seiner Mütze stand der Name des Blumengeschäfts: Bourguignon. Ich las zuerst die beiliegende Karte. » Dein Wunsch ist mir Befehl«, stand darauf. Und irgendein Gekritzel als Unterschrift. Ich musste lachen. Nie hätte ich gedacht, dass der kühle Hillgarth einen derart lächerlich schmalzigen Satz schreiben würde. Ich brachte den Strauß in die

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