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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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schwarze Oliven, bewiesen die Wachheit eines alten Menschen.
    » Du hast mir nicht alles erzählt, stimmt’s?«, sagte sie schließlich.
    Alte Hexe, dachte ich bewundernd. Ich hatte vergessen, wie schlau sie war.
    » Nein, Doña Manuela, ich habe Ihnen nicht alles erzählt«, gab ich zu. » Ich habe Ihnen nicht alles erzählt, weil ich das nicht darf. Aber ein wenig mehr kann ich schon erzählen. Sehen Sie, in Tetuán habe ich wichtige Leute kennengelernt, Leute, die auch heute noch großen Einfluss haben. Sie haben mich ermutigt, nach Madrid zu gehen, ein Atelier aufzumachen und für bestimmte Kundinnen der Oberschicht zu schneidern. Nicht für Damen, die dem Regime nahestehen, sondern vor allem für Ausländerinnen und für Spanierinnen aus Adels- und Monarchistenkreisen, die der Meinung sind, dass Franco sich den Posten des Regenten widerrechtlich aneignet.«
    » Warum?«
    » Warum was?«
    » Warum wollen deine Freunde, dass du für diese Damen nähst?«
    » Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich brauche Ihre Hilfe. Ich habe wunderbare Stoffe aus Marokko mitgebracht, und hier ist Stoff Mangelware. Es hat sich herumgesprochen, mein Atelier ist sehr bekannt geworden, und ich habe jetzt so viele Kundinnen, dass ich mich nicht mehr allein um alle kümmern kann.«
    » Warum, Sira?«, wiederholte sie langsam. » Warum schneiderst du für diese Damen, was wollt ihr von ihnen, du und deine Freunde?«
    Ich presste entschlossen den Mund zusammen, damit kein Wort über meine Lippen kam. Ich konnte, ich durfte nichts sagen. Doch es war, als würde eine seltsame Macht mich dazu zwingen. Als würde Doña Manuela wieder das Kommando führen, und ich wäre nur der halbwüchsige Lehrling. Als könnte sie mit allem Recht der Welt eine Erklärung von mir verlangen, weil ich mich einen ganzen Vormittag vor der Arbeit gedrückt hatte, als sie mich um drei Dutzend Perlmuttknöpfe zur Plaza de Pontejos geschickt hatte. Mein Gefühl sprach, meine Vergangenheit, nicht ich.
    » Ich schneidere für sie, um an Informationen darüber zu kommen, was die Deutschen in Spanien machen. Dann übergebe ich diese Informationen den Engländern.«
    Kaum hatte ich das letzte Wort ausgesprochen, biss ich mir auf die Unterlippe. Wie konnte ich nur so unvorsichtig sein! Ich bereute es sofort, dass ich das Hillgarth gegebene Versprechen gebrochen hatte, mit niemandem über meine Mission zu sprechen, aber jetzt war es gesagt, ich konnte es nicht mehr zurücknehmen. Ich muss die Situation ein wenig erklären, dachte ich dann, ihr sagen, dass mein Einsatz mithalf, dass Spanien seine Neutralität bewahren konnte, dass Spanien sich jetzt keinen neuen Krieg leisten könne, kurzum, all jene Sachen, die sie mir gegenüber so sehr betont hatten. Doch es waren gar keine Erklärungen notwendig, denn ehe ich etwas sagen konnte, nahm ich ein seltsames Funkeln in Doña Manuelas Augen wahr. Ein Funkeln in den Augen und die Andeutung eines Lächelns in den Mundwinkeln.
    » Für die Landsleute von Doña Victoria Eugenia, unsere ehemalige Königin, tue ich alles. Sag mir nur, wann ich anfangen soll.«
    Wir plauderten den ganzen Nachmittag miteinander, besprachen, wie wir uns die Arbeit aufteilen würden, und am nächsten Morgen um neun Uhr war Doña Manuela zur Stelle. Es machte ihr überhaupt nichts aus, die zweite Geige bei mir zu spielen, im Gegenteil. Sie empfand es fast als Erleichterung, den Kundinnen nicht mehr Rede und Antwort stehen zu müssen. Wir beide ergänzten einander ideal, so wie es über viele Jahre mit meiner Mutter und ihr gewesen war, nur jetzt eben umgekehrt. Sie übernahm ihre neue Stellung mit der Demut, die Charaktergröße verrät: Sie fügte sich in mein Leben ein und passte sich meinem Rhythmus an, sie harmonierte mit Dora und Martina, brachte ihre reiche Erfahrung ein und eine Energie, für die viele Frauen mit dreißig Jahren weniger auf dem Buckel dankbar gewesen wären. Sie akzeptierte ohne Weiteres, dass ich nun den Ton angab, meine Regeln und meine weniger konventionellen Ideen, übernahm tausend kleine Aufgaben, die früher so oft die einfachen Näherinnen nach ihren Anweisungen ausgeführt hatten. Nach den Jahren der Untätigkeit wieder zu arbeiten, war für sie ein Geschenk des Himmels, sie kam dadurch aus ihrem tristen Einerlei heraus und erwachte zu neuem Leben wie ein Feld mit Klatschmohn beim ersten Regenguss im April.
    Mit Doña Manuela als Rückenstärkung wurden die langen, anstrengenden Arbeitstage entspannter. Wir arbeiteten

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