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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Museum versetzte mich immer wieder in Erstaunen, so sehr, dass ich manchmal beinahe vergaß, dass ich dort etwas Wichtiges zu erledigen hatte und mich nicht nur an den herrlichen Gemälden erfreuen durfte. Auch mit der Weitergabe der Umschläge, in denen sich die kodifizierten Schnittmuster befanden, gab es keinerlei Schwierigkeiten: Alles ging so problemlos vonstatten, dass meine Nerven gar keine Chance hatten, mir einen Streich zu spielen. Meinen Umschlag nahm immer dieselbe Person entgegen, ein kahlköpfiger, dünner Mann, der meine Botschaften wahrscheinlich auch weiterleitete. Allerdings kam von ihm nie die kleinste komplizenhafte Geste.
    Hin und wieder, nicht allzu oft, ging ich aus. Gelegentlich suchte ich zur Cocktailstunde das Embassy auf. Gleich beim ersten Mal sah ich von Weitem Captain Hillgarth, wie er inmitten von Landsleuten einen Whisky mit Eis trank. Er bemerkte mich ebenfalls sofort, wie auch nicht. Doch das wusste nur ich, denn er zuckte mit keiner Wimper, als ich eintrat. Ich hielt meine Tasche fest in der rechten Hand, und wir taten, als hätten wir uns nicht gesehen. Ich grüßte zwei Kundinnen, die mein Atelier vor den anderen Señoras in den höchsten Tönen lobten, trank einen Cocktail mit ihnen, registrierte die bewundernden Blicke einiger Männer und beobachtete von der hohen Warte meiner vermeintlichen Weltläufigkeit aus die Menschen um mich herum. Am Tresen wie an den Tischen in diesem absolut schlicht ausgestatteten, kleinen Ecklokal nichts als Eleganz, Eitelkeit und Reichtum in Reinkultur. Herren in Anzügen aus feinster Wolle, aus Alpaka und Tweed, Militärs mit dem Hakenkreuz am Arm und andere in fremden Uniformen, die ich nicht kannte, aber mit reichlich Litzen und Sternen auf den Schulterklappen. Überaus elegante Damen im Schneiderkostüm mit dreireihigen Perlenketten um den Hals, die Perlen so groß wie Haselnüsse, mit makellosem Lippenrot und wunderschönen Kappen, Turbanen oder breitkrempigen Hüten auf den perfekt frisierten Köpfen. Es wurde in verschiedenen Sprachen Konversation gemacht, diskret gelacht, Gläser stießen klirrend aneinander. Und in der Luft schwebten, kaum wahrnehmbar, der zarte Duft von Patou und Guerlain, eine gewisse mondäne Weltläufigkeit und der Rauch von tausend » blonden« Zigaretten. Der gerade zu Ende gegangene Krieg in Spanien und die grausamen Schlachten, die nun ganz Europa zu verwüsten drohten, wirkten wie Anekdoten aus einer anderen Galaxie in dieser von unübersehbarem Luxus geprägten Umgebung.
    An einer Ecke des Tresens stand, sehr aufrecht und würdevoll, jeden neuen Gast höflich begrüßend, während sie gleichzeitig das Hin und Her der Kellner beobachtete, eine Frau, die ich für Margaret Taylor hielt, die Besitzerin des Lokals. Hillgarth hatte mich nicht informiert, welcher Art seine Zusammenarbeit mit ihr war, doch ich war mir sicher, dass sie mehr umfasste, als dass die Chefin eines Vergnügungslokals und einer ihrer Stammkunden sich gegenseitig hin und wieder einen Gefallen erwiesen. Ich beobachtete sie, während sie einem Nazi-Offizier in schwarzer Uniform mit einer Hakenkreuzbinde am Arm und hohen, auf Hochglanz polierten Stiefeln die Rechnung überreichte. Diese gleichzeitig streng und distinguiert wirkende Ausländerin, die schon ein paar Jahre jenseits der vierzig sein musste, gehörte zweifellos zu der geheimen Maschinerie, die der britische Marineattaché in Spanien in Gang gesetzt hatte. Ich konnte nicht erkennen, ob Captain Hillgarth und sie Blicke oder irgendeine Art von stummer Botschaft austauschten. Bevor ich ging, beobachtete ich sie wieder eine Weile aus den Augenwinkeln. Sie sprach leise mit einem jungen Kellner in weißem Jäckchen, gab ihm offenbar Anweisungen. Hillgarth saß noch immer an seinem Tisch und hörte interessiert zu, was einer seiner Freunde erzählte, ein junger Mann, der noch ungezwungener wirkte als die anderen. Alle am Tisch schienen ihm mit der gleichen Aufmerksamkeit zuzuhören. Von Weitem sah ich, wie er theatralisch gestikulierte, vielleicht imitierte er jemanden. Als er geendet hatte, brachen alle in schallendes Gelächter aus, und auch Hillgarth lachte mit. Vielleicht kitzelte mich nur die Fantasie, aber für den Bruchteil einer Sekunde meinte ich, er hätte mir zugezwinkert.
    Es ging auf den Herbst zu, und immer mehr Kundinnen kamen. Blumen oder Pralinen hatte mir weder Hillgarth noch sonst jemand geschickt. Es machte mir auch nichts aus, da ich weder Lust noch Zeit für irgendwelche

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