Das Echo der Traeume
auf mich zukam. Darauf lag ein Umschlag. Und darin befand sich eine Karte.
Verehrte Arish,
ich hoffe, das Meer hat Ihr Unwohlsein vertrieben. João wird Sie morgen um 10 Uhr abholen und in mein Büro bringen.
Erholen Sie sich,
MANUEL DA SILVA
Tja, Nachrichten sprachen sich hier offensichtlich schnell herum. Ich war versucht, mich nach dem Chauffeur oder da Silva umzusehen, doch ich hielt mich zurück. Obwohl einer der beiden sich ganz bestimmt in meiner Nähe aufhielt, tat ich weiter desinteressiert und las in einer der amerikanischen Zeitschriften, mit denen ich mir den Nachmittag vertrieben hatte. Nach einer Weile, als das Foyer halb leer war und die meisten Gäste sich an der Bar, auf der Terrasse oder im Speisesaal befanden, ging ich zurück auf mein Zimmer, bereit, mir Marcus aus dem Kopf zu schlagen und mich auf den morgigen schwierigen Tag vorzubereiten.
54
João warf den Zigarettenstummel auf den Boden und rief mir ein » Bom dia« zu, während er ihn mit der Fußspitze ausdrückte und mir die Tür aufhielt. Wieder musterte er mich von oben bis unten. Dieses Mal würde er seinem Chef jedoch keinen Bericht abliefern müssen, da ich ihn ohnehin in einer knappen halben Stunde sehen würde.
Die Büros von da Silva befanden sich in der zentral gelegenen Rua do Ouro, der Straße des Goldes, die den Rossio mit der Plaça de Comércio in der Baixa verband. Es war ein elegantes Gebäude ohne übertriebenes Dekor, obwohl alles rundherum sehr nach Geld roch, nach überaus einträglichen Geschäften. Wohin man blickte nur Banken, Pensionskassen, Büros, Anzugträger, eilige Angestellte und Laufburschen der verschiedenen Firmen.
Ich stieg aus dem Bentley und wurde von demselben schlanken Mann in Empfang genommen, der an dem Abend, als da Silva sich mit mir zum Kennenlernen verabredet hatte, unser Gespräch unterbrochen hatte. Dieses Mal streckte er mir höflich und zurückhaltend die Hand entgegen, stellte sich knapp als Joaquim Gamboa vor und geleitete mich anschließend ehrerbietig zum Fahrstuhl. Zuerst dachte ich, die Büros der Firma lägen in einem der oberen Stockwerke, doch dann begriff ich, dass das gesamte Gebäude der Firmensitz war. Gamboa brachte mich allerdings direkt in den ersten Stock.
» Don Manuel wird sofort bei Ihnen sein«, kündigte er an und ging dann.
Das Vorzimmer, in das er mich gebracht hatte, besaß holzverkleidete Wände, die wie frisch gewachst wirkten. Sechs Ledersessel bildeten einen Wartebereich. Ein Stück weiter zu der Doppeltür hin, die zu da Silvas Büro führte, standen zwei Tische: Der eine war belegt, der andere leer. Am ersten arbeitete eine Sekretärin um die fünfzig, und ich schloss aus der formellen Begrüßung, die sie mir zuteilwerden ließ, und dem unverzüglich folgenden Vermerk in einem dicken Heft, dass sie eine sehr tüchtige und umsichtige Mitarbeiterin sein musste, der Traum aller Chefs. Kaum zwei Minuten später trat ihre wesentlich jüngere Kollegin aus der Tür zu da Silvas Büro, begleitet von einem farblos wirkenden Herrn. Vermutlich ein Kunde, ein Geschäftspartner.
» Herr da Silva erwartet Sie«, erklärte sie mit unwirscher Miene. Ich tat, als würde ich gar nicht Notiz nehmen von ihr, aber ein Blick genügte, um mir einen Eindruck zu verschaffen. Sie war ungefähr in meinem Alter, ein Jahr jünger oder älter. Mit einer Brille für Kurzsichtige, hellem Haar und hellem Teint, gepflegt, wenn auch eher einfach gekleidet. Länger konnte ich sie nicht mustern, denn schon erschien Manuel da Silva persönlich, um mich im Vorzimmer zu begrüßen.
» Ihr Besuch ist mir eine große Freude, Arish«, sagte er, worauf ich ihm mit wohlkalkulierter Langsamkeit meine Hand entgegenstreckte, damit er Zeit hatte, mich zu betrachten und zu entscheiden, ob ich seiner Aufmerksamkeit noch würdig war. Seiner Reaktion nach zu schließen, war das der Fall. Ich hatte mich aber auch wirklich bemüht: Für diesen Geschäftstermin hatte ich ein silbergraues Kostüm aus Bleistiftrock und einer eng anliegenden Jacke mit einer weißen Blüte am Revers als dezenten farblichen Kontrast ausgesucht. Meine Wahl fand offenbar Anklang, da er mich interessiert und mit einem galanten Lächeln musterte.
» Bitte, treten Sie ein. Heute Morgen ist alles gebracht worden, was ich Ihnen zeigen wollte.«
In einer Ecke des geräumigen Büros, unter einer großen Weltkarte, lagen mehrere Stoffballen. Seiden. Naturseiden, glänzende und glatte, herrliche Seiden in den schönsten Farbtönen.
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