Das Echo der Traeume
Vergangenheit, ein neues Bild: Ich dachte daran zurück, als ich jung war und eines Tages fortging, das Erreichte, meine Ängste, meine Freunde zurückließ – Szenen aus anderen Ländern, mit anderem Stimmengewirr. Doch vor allem brachte mir das Meer an jenem Morgen längst vergessene Gefühle und verdrängte Momente zurück: die Liebkosung einer geliebten Hand, die Stärke eines vertrauten Arms, die Freude über das Geteilte und die Sehnsucht nach dem Ersehnten.
Es war fast drei Uhr nachmittags, als ich mir den Sand vom Rock klopfte. Zeit zurückzugehen, eine Uhrzeit so gut wie jede andere. Oder vielleicht so schlecht wie jede andere. Ich überquerte die Straße zum Hotel, auf der kaum Autos fuhren. Eins entfernte sich, ein anderes kam langsam näher. Es kam mir bekannt vor, irgendwie. Neugierig geworden, verlangsamte ich meine Schritte, bis der Wagen an mir vorbeifuhr. Und da wusste ich, um welches Auto es sich handelte und wer es fuhr. Es war der Bentley von da Silva, und am Steuer saß natürlich João. Was für ein Zufall! Oder nein, dachte ich auf einmal. Vermutlich gab es ein Dutzend guter Gründe, warum der alte Chauffeur gemächlich durch die Straßen von Estoril gondelte, aber mein Instinkt sagte mir, dass er auf der Suche nach mir war. » Wach auf, Mädchen, sieh dich bloß vor!«, hätten Candelaria und meine Mutter gesagt. Doch da sie nicht da waren, warnte ich mich eben selbst. Ich musste mich vorsehen, ja. Meine Wachsamkeit ließ nach. Die Begegnung mit Marcus hatte mich brutal getroffen und eine Million Erinnerungen und Gefühle zutage gefördert, aber jetzt war nicht der Moment, sich in sehnsüchtigem Verlangen zu verlieren. Ich hatte einen Auftrag, eine Verpflichtung, eine Aufgabe, um die ich mich kümmern und die ich erfüllen musste. Im Sand zu sitzen und die Wellen anzustarren, würde nichts ändern, sondern mich nur Zeit kosten und mich melancholisch werden lassen. Ich musste mich wieder der Realität stellen.
Ich beschleunigte meinen Schritt und bemühte mich, dynamisch und gelöst zu wirken. Obwohl João schon verschwunden war, konnten mich genauso gut andere Augen von einer x-beliebigen Ecke aus im Auftrag da Silvas beobachten. Eigentlich war das so gut wie unmöglich, aber vielleicht wollte dieser mächtige Mann alles kontrollieren und lieber genau wissen, was der marokkanische Besuch machte, wenn er nicht in seinem Auto spazieren fuhr. Und das musste ich ihm jetzt zeigen.
Über eine Seitentreppe gelangte ich in mein Zimmer, zog mich um und ging wieder nach unten. Statt des leichten Rocks und der Baumwollbluse trug ich nun ein elegantes orangefarbenes Kostüm und statt flacher Sandalen hochhackige Schuhe aus Schlangenleder. Die Sonnenbrille verschwand, und ich schminkte mich mit den Kosmetikartikeln, die ich tags zuvor gekauft hatte. Das Kopftuch ließ ich auf dem Zimmer, und mein wohlfrisiertes Haar fiel mir bis auf die Schultern. Mit wiegendem Schritt stieg ich die Haupttreppe hinab und flanierte über die Galerie im Obergeschoss, die sich oberhalb des weitläufigen Foyers erstreckte. Anschließend ging ich ein Stockwerk tiefer ins Erdgeschoss. Auf meinem Weg lächelte ich allen Menschen freundlich zu, die mir begegneten, und grüßte mit anmutig zur Seite geneigtem Kopf einige Damen. Ihr Alter war mir egal, ebenso, welche Sprache sie sprachen oder ob sie meinen Gruß erwiderten. Bei den Herren ging ich noch etwas weiter und blinzelte ihnen – wenigen Einheimischen und vielen Ausländern – verschmitzt zu. Einem älteren, schon gebrechlichen Herrn zwickte ich sogar kokett in die Wange. An der Rezeption bat ich einen der Angestellten, ein Telegramm für mich an Doña Manuela aufzugeben, und ließ es an meine eigene Adresse schicken. » Portugal wundervoll, ausgezeichnete Ware. Heute Ruhetag wegen Migräne. Morgen Besuch eines aufmerksamen Lieferanten. Herzliche Grüße, Arish Agoriuq.« Anschließend suchte ich mir einen der Sessel aus, die in Vierergruppen im Foyer standen, wobei ich darauf achtete, dass ich gut zu sehen war. Dann schlug ich effektvoll die Beine übereinander und bestellte zwei Aspirin und eine Tasse Tee. Den restlichen Nachmittag verwandte ich darauf, gesehen zu werden.
Es gelang mir, meine Langeweile drei Stunden zu verbergen, bis mein Magen anfing zu knurren. Ende der Vorstellung: Ich hatte es mir redlich verdient, auf mein Zimmer zurückzugehen und mir dorthin ein Abendessen zu bestellen. Ich wollte gerade aufstehen, als ein Page mit einem kleinen Silbertablett
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