Das Echo der Traeume
fort sein, und obwohl ich es mir von ganzem Herzen wünsche, fürchte ich, dass Du und das kleine Wesen, das Du vermutlich unter Deinem Herzen trägst, dass Ihr beide mich im Moment nicht begleiten könnt.
Bitte verzeih, wie ich mich Dir gegenüber in letzter Zeit verhalten habe, dass ich mich nicht mehr um Dich gekümmert habe. Du wirst sicher verstehen, dass die Ungewissheit durch das Schweigen seitens der Academia Pitman mich dazu nötigte, mich nach anderen zukunftsträchtigen Möglichkeiten umzusehen. Ich habe verschiedene Angebote geprüft, und für eines habe ich mich entschieden. Es ist ein Wagnis, ebenso faszinierend wie vielversprechend, aber es erfordert meinen vollen Einsatz, und deshalb ist es derzeit unmöglich, dass Du mich begleitest.
Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass das Projekt, das ich heute in Angriff nehme, ein absoluter Erfolg sein wird, doch im Moment, im Anfangsstadium, bedarf es einer erheblichen Investition, die meine finanziellen Möglichkeiten bei Weitem übersteigt, weshalb ich mir erlaubt habe, mir das Geld und die Schmuckstücke Deines Vaters zu borgen, um die anfänglichen Kosten bestreiten zu können. Ich hoffe, Dir eines Tages alles, was ich heute als Leihgabe mitnehme, wieder zurückgeben zu können, damit Du es später an Deine Nachkommen weitergeben kannst, wie Dein Vater es bei Dir getan hat. Und ich vertraue darauf, dass die Erinnerung an Deine Mutter, die Dich selbstlos und nach besten Kräften großgezogen hat, Dir als Vorbild für die kommenden Lebensphasen dienen wird.
Leb wohl, mein Liebling. Immer der Deine,
RAMIRO
PS : Ich rate Dir, Tanger so schnell wie möglich zu verlassen. Es ist kein passender Ort für eine alleinstehende Frau, schon gar nicht in Deinem gegenwärtigen Zustand. Ich fürchte, gewisse Leute könnten ein Interesse daran haben, mich zu finden, und nach Dir suchen, wenn sie mich nicht antreffen. Versuche, das Hotel unauffällig und mit wenig Gepäck zu verlassen. Ich werde mich nach Kräften bemühen, die Hotelrechnung für die letzten Monate zu begleichen, weiß aber nicht, ob ich durch meine überstürzte Abreise Gelegenheit dazu haben werde. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn es Dich in irgendeiner Weise belasten würde.
Ich erinnere mich nicht mehr, was ich in jenem Moment dachte. Die Szenerie hingegen steht mir noch ganz deutlich vor Augen: das Chaos im Zimmer, der leere Schrank, das blendende Tageslicht, das durch das offene Fenster hereindrang, und ich selbst auf dem zerwühlten Bett, in einer Hand den Brief, die andere schützend auf mein ungeborenes Kind gelegt, während mir dicke Schweißtropfen über die Schläfen rannen. Die Gedanken jedoch, die mir damals durch den Kopf gingen, haben entweder nie existiert oder keine Spuren hinterlassen, denn ich konnte mich nie an sie erinnern. Ganz sicher weiß ich hingegen, dass ich mich mechanisch ans Werk machte, mit eiligen Bewegungen, aber ohne einen klaren Gedanken fassen oder etwas empfinden zu können. Trotz des Inhalts seines Briefes und noch aus der Ferne bestimmte Ramiro weiterhin mein Leben, und ich beschränkte mich darauf, ihm zu gehorchen. Ich öffnete einen Koffer und warf mit beiden Händen hinein, was mir in die Finger kam, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was mitzunehmen sinnvoll war und was ich zurücklassen könnte. Einige Kleider, eine Haarbürste, ein paar Blusen und alte Zeitschriften, eine Handvoll Unterwäsche, einzelne Schuhe, zwei Kostümjacken ohne den passenden Rock und drei Röcke ohne die dazugehörigen Jacken, einige Schriftstücke, die auf dem Schreibtisch lagen, ein paar Tiegel aus dem Bad, ein Handtuch. Als der Koffer schließlich mit einem Durcheinander an Kleidung und anderen Dingen gefüllt war, schloss ich ihn, schlug die Zimmertür hinter mir zu und ging.
Im mittäglichen Trubel von Hotelgästen, die in den Speisesaal gingen oder ihn verließen, dem Geschirrklappern der Kellner und dem Stimmengewirr in Sprachen, die ich nicht verstand, schien kaum jemand meinen Abgang zu bemerken. Nur Hamid, der kleine Page mit dem Aussehen eines Kindes, kam diensteifrig auf mich zu, um mir den Koffer zu tragen. Ich wehrte wortlos ab und trat auf die Straße. Und ging drauflos, weder mit festem noch mit leichtem Schritt, ohne die geringste Ahnung, wohin ich mich wenden sollte, aber das bekümmerte mich nicht. Ich erinnere mich, dass ich die steile Rue de Portugal hinunterlief, und ich habe noch einige Bilder vom Zoco de Afuera mit seinem Gewimmel von
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