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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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Energie, mich auf den Beinen zu halten. Ich begann, allein im Hotel zu bleiben, Stunden, die sich hinzogen, zähflüssig, erdrückend. Stunden, die ich wie in einem klebrigen Nebel zubrachte, ohne den geringsten Lufthauch, wie leblos. Ich nahm an, dass er sich mit denselben Dingen und in Gesellschaft derselben Leute wie früher beschäftigte: ein paar Gläser Alkohol, Billard, Gespräche und noch mal Gespräche, ein paar gute Geschichten und auf irgendein Stück Papier gekritzelte Landkarten. Ich dachte, er mache dieselben Dinge wie mit mir, nur ohne mich, und ahnte nicht, dass er in eine andere Phase eingetreten war, dass es anderes gab. Dass er die Grenzen der bloßen Geselligkeit unter Freunden bereits überschritten und sich auf ein neues Terrain begeben hatte, das ihm keineswegs unbekannt war. Ja, es gab andere Pläne. Und außerdem das Glücksspiel, wilde Pokerrunden, Feste bis in den hellen Tag hinein. Wetten, Geprahle, zwielichtige Geschäfte und maßlose Projekte. Lügen, leere Versprechungen und das Auftauchen einer Seite seiner Persönlichkeit, die monatelang verborgen geblieben war. Ramiro Arribas, der Mann mit den tausend Gesichtern, hatte mir bislang nur eines gezeigt. Die anderen sollte ich bald kennenlernen.
    Jede Nacht kam er später und in schlechterem Zustand zurück. Das Hemd halb über dem Hosenbund hängend, der Krawattenknoten fast auf der Brust, überdreht, nach Tabak und Whisky riechend, mit belegter Stimme Entschuldigungen murmelnd, wenn er mich noch wach vorfand. Manchmal berührte er mich nicht einmal, sondern fiel wie ein Kartoffelsack auf das Bett und schlief sofort ein, doch ich fand in den wenigen Stunden, bis es vollends hell wurde, keinen Schlaf mehr, weil er so geräuschvoll atmete. Manchmal umarmte er mich auch schwerfällig, küsste mit feuchtem Atem meinen Hals, schob beiseite, was ihn an Kleidung behinderte, und ergoss sich in mich. Und ich ließ ihn gewähren, ohne ihm einen Vorwurf zu machen, ohne überhaupt zu verstehen, was mit uns geschah, unfähig, jene Lieblosigkeit zu benennen.
    In manchen Nächten kam er überhaupt nicht zurück. Das waren die schlimmsten: schlaflose Morgenstunden, wenn sich die gelblichen Lichter an den Kais im schwarzen Wasser der Bucht spiegelten, wenn das erste Licht des Tages energisch die Tränen verscheuchte, wenn der böse Verdacht in mir aufkeimte, dass vielleicht alles ein Irrtum gewesen war, ein riesengroßer Irrtum, bei dem es kein Zurück mehr gab.
    Das Ende ließ nicht lange auf sich warten. Entschlossen, ein für alle Mal die Ursache für mein Unwohlsein bestätigt zu wissen, ohne jedoch Ramiro unnötig beunruhigen zu wollen, machte ich mich eines frühen Morgens auf den Weg zur Praxis eines Arztes in der Calle Estatuto. Dr. Bevilacqua, Allgemeinmediziner für sämtliche Beschwerden und Krankheiten, verkündete das goldfarbene Schild an der Tür. Er hörte mir geduldig zu, untersuchte mich, befragte mich. Und es war auch kein Schwangerschaftstest mit einem weiblichen Frosch oder Ähnliches nötig, um mir zu bestätigen, was ich schon geahnt hatte – und Ramiro ebenfalls, wie sich später herausstellen sollte. Ich kehrte mit gemischten Gefühlen ins Hotel zurück. Hoffnung, Beklemmung, Freude, Angst. Ich erwartete, ihn noch schlafend im Bett vorzufinden, wollte ihn mit Küssen wecken, um ihm die Neuigkeit zu berichten. Doch das war mir nicht vergönnt. Ich hatte nie Gelegenheit, ihm zu sagen, dass wir ein Kind bekommen würden, denn als ich zurückkehrte, war er schon nicht mehr da. Außer dem leeren Bett fand ich lediglich ein Chaos vor, die Türen der Schränke sperrangelweit offen, die Schubladen herausgerissen und die Koffer auf dem Boden verstreut.
    Man hat uns beraubt, war mein erster Gedanke.
    Mir blieb die Luft weg, ich musste mich setzen. Ich schloss die Augen und atmete tief durch, ein, zwei, drei Mal. Als ich sie wieder öffnete, sah ich mich noch einmal um. In meinem Kopf kreiste nur ein einziger Gedanke: Ramiro, Ramiro, wo ist Ramiro? Und dann blieb mein unruhig durch das Zimmer streifender Blick an einem Briefumschlag auf dem Nachttisch auf meiner Seite des Bettes hängen. An den Lampenfuß gelehnt, darauf in Großbuchstaben mein Name, hingeworfen mit dem kräftigen Strich jener Schrift, die ich überall erkannt hätte.
    Sira, mein Liebling,
    ehe Du weiterliest, sollst Du wissen, dass ich Dich anbete und die Erinnerung an Dich bis an mein Lebensende in meinem Herzen tragen werde. Wenn Du diese Zeilen liest, werde ich schon

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