Das Echo der Traeume
gut war. Das war das Beste, was mir in meiner Lage passieren konnte. Wenn ich dagegen über das dafür notwendige Geld nachdachte, wurde mir angst und bange. Um ein eigenes Geschäft zu eröffnen, auch wenn es noch so bescheiden und winzig wäre, benötigte ich Startkapital, über das ich nicht verfügte, auch Kontakte, die ich nicht hatte, wären hilfreich, und ich bräuchte jede Menge Glück, welches mir in letzter Zeit nicht gerade hold gewesen war. Kein leichtes Unterfangen also, wenn ich mir hier einen Namen machen wollte! Um gewachsene Beziehungen zu lösen und Kundinnen zu gewinnen, musste ich mir etwas einfallen lassen, mich vom gewohnten Einerlei abheben und etwas vollkommen anderes anbieten.
Während Candelaria und ich uns bemühten, einen für mich gangbaren Weg aufzutun, kamen verschiedene Freundinnen und Bekannte von ihr mit Aufträgen für mich in die Pension. » Ja, eine Bluse, Liebes, tu mir den Gefallen!« » Ein paar Mäntel für die Kleinen, bevor es kalt wird.« Im Allgemeinen waren es Frauen aus bescheidenen Verhältnissen, und genauso stand es auch um ihre Finanzen. Sie brachten viele Kinder und spärliche Stoffreste mit, setzten sich auf einen Plausch zu Candelaria, während ich nähte. Sie sorgten sich wegen des Kriegs, beweinten das Schicksal der Familienmitglieder in Spanien und tupften sich die Tränen mit einem Taschentuch ab, das zerknittert in ihrem Ärmel steckte. Sie klagten über die derzeit herrschende Not und fragten sich ängstlich, wie sie die Kinder durchbringen sollten, wenn der Konflikt nicht beendet würde oder eine feindliche Kugel ihnen den Ehemann nahm. Sie zahlten wenig und spät, manchmal gar nicht, so gut sie eben konnten. Aber dennoch, trotz der wenigen Kunden und meiner geringen Einkünfte, linderte die bloße Tatsache, dass ich wieder nähte, meine Einsamkeit und Isolation und öffnete mir einen Spalt, durch den schon ein dünner Hoffnungsstrahl in mein Leben drang.
9
Ende des Monats begann es zu regnen, erst einen Nachmittag, dann den nächsten und übernächsten. Drei Tage lang ließ sich die Sonne kaum blicken. Es donnerte und blitzte, der Wind blies wie verrückt und wirbelte die Blätter über den nassen Boden. Ich arbeitete weiter an den Kleidungsstücken, die die Nachbarinnen bei mir bestellt hatten. Kleidung ohne jeden Pfiff und ohne jeden Schick, aus einfachen Stoffen genäht, lediglich dazu bestimmt, den Körper gegen die Unbilden der Witterung zu schützen. Ich hatte gerade das Sakko für den Enkel einer Nachbarin fertig und saß an einem Plisseerock für die Tochter der Concierge, als Candelaria wieder einmal in höchster Aufregung zur Tür hereinkam.
» Ich hab’s, meine Kleine, das ist die Lösung! Es ist alles schon geritzt!«
Sie kam gerade von draußen und trug die neue Tweedjacke, in der Taille eng geschnürt, einen Schal um den Kopf und ihre alten Schuhe mit den schiefen und nun auch schmutzverkrusteten Absätzen. Während sie munter drauflosplapperte, um ihre große Neuigkeit in allen Einzelheiten zu offenbaren, schälte sie sich Schicht um Schicht aus ihren Sachen. Sie war noch ganz außer Atem, und ihr üppiger Busen wogte im Takt auf und ab.
» Ich komme aus dem Friseursalon, in dem meine Freundin Remedios arbeitet, mit der ich noch ein paar Sachen zu besprechen hatte, und als wir so reden, macht Reme einer Froschfresserin gerade eine Dauerwelle …«
» Bitte wem?«, unterbrach ich ihren Redefluss.
» Einer Froschfresserin, einer Franzmännin, na, einer Französin eben«, erklärte sie hastig, ehe sie fortfuhr: » Nun, ich dachte, es sei eine, doch später stellte sich heraus, dass sie gar keine ist, sondern eine Deutsche, die ich nicht kannte, denn die anderen, die Frau des Konsuls, die Gumpert und die Bernhardt, und die von Langenheim, die keine Deutsche, sondern eine Italienerin ist, ja, die kenne ich alle zur Genüge, weil ich mit ihnen schon zu tun hatte. Nun, was wollte ich sagen, während sie also der Frau die Haare macht, fragt mich Reme, wo ich denn die tolle Tweedjacke herhabe, die ich trage. Und ich sage natürlich, dass mir diese eine Freundin gemacht hat, und da sieht die Froschfresserin, die – wie sich ja später herausstellte – gar keine Froschfresserin, sondern eine Deutsche ist, zu mir her, mustert mich von oben bis unten und mischt sich in unsere Unterhaltung ein – mit diesem typischen gepressten Akzent, bei dem du denkst, ihr beißt gerade jemand in den Hals – und erzählt mir, dass sie jemanden sucht, der
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