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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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ihr kommt nicht über die Meerenge und damit auch nicht nach Hause zurück. Nun, es gibt noch andere, denen es ähnlich ergangen ist, die aber im Gegensatz zu euch keine Hungerleider sind, sondern vermögende Leute. Solche, wie es sie hier vorher nicht gegeben hat, jetzt aber schon, verstehst du, was ich dir sagen will, Mädchen? Zum Beispiel ist eine berühmte Schauspielerin mit ihrer ganzen Truppe in Tetuán gestrandet. Und einige Ausländerinnen, hauptsächlich Deutsche. Man munkelt, dass ihre Ehemänner die Armee dabei unterstützen, Francos Truppen auf die spanische Halbinsel zu schaffen. Und so kommen ein paar zusammen, zwar nicht wahnsinnig viele, das ist wahr, aber genügend, um dir eine Zeitlang Arbeit zu verschaffen, wenn du sie als Kundinnen gewinnen kannst. Und vergiss nicht, diese Damen müssen keiner Schneiderin die Treue halten, weil sie ja nicht von hier sind. Außerdem, und das ist noch viel wichtiger, haben sie ordentlich Geld, und da sie Ausländerinnen sind, ist ihnen dieser Krieg völlig schnuppe, das heißt, sie wollen sich amüsieren und werden, solange die ganze Chose dauert, den Teufel tun, irgendeinen alten Fetzen anzuziehen, sondern sich hübsch machen, egal, wer nun die Schlacht gewinnt, kannst du mir folgen, Herzchen?«
    » Natürlich, Candelaria, selbstverständlich, aber …«
    » Schschsch! Ich habe dir doch gesagt, du sollst mit deinem › Aber‹ gefälligst warten, bis ich ausgeredet habe! Was du jetzt brauchst, und zwar gleich, sind Geschäftsräume allererster Güte, in denen du deiner Kundschaft nur das Feinste vom Feinen präsentierst. Bei allem, was mir heilig ist, schwöre ich, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie jemanden getroffen habe, der so nähen kann wie du. Deshalb sollten wir uns lieber früher als später daranmachen, unser Vorhaben in die Tat umzusetzen. Und ja, ich weiß, du hast keine müde Pesete, aber dafür hast du ja mich.«
    » Aber Sie haben ja auch nichts. Sie jammern doch den ganzen Tag, dass Ihre Einnahmen kaum reichen, um uns mit Essen zu versorgen.«
    » Ja, es ist ein Hundeleben! In letzter Zeit komme ich nur schwer an Ware. Die Grenzposten werden von Soldaten gesichert, die bis an die Zähne bewaffnet sind. Es ist schier unmöglich, an ihnen vorbei nach Tanger zu gelangen, es sei denn, man hat fünfzigtausend Passierscheine, die man natürlich meiner Wenigkeit nicht ausstellt. Und nach Gibraltar zu kommen ist noch komplizierter, seit die Meerenge für den Verkehr gesperrt ist und die Kriegsflugzeuge im Tiefflug über einen hinwegrasen, um alles, was sich bewegt, zu bombardieren. Doch ich habe etwas in petto, mit dem wir das nötige Kleingeld für die Eröffnung deines Ateliers beschaffen könnten. Es ist mir – zum ersten Mal in meinem ganzen verdammten Leben – einfach in den Schoß gefallen, ohne dass ich danach hätte suchen oder aus dem Haus gehen müssen.«
    Sie ging in die Ecke des Zimmers, in der sich das ganze unnütze Gerümpel stapelte.
    » Vorher schleichst du aber erst einmal in den Flur und vergewisserst dich, dass die Schwestern noch immer Radio hören«, befahl sie mir im Flüsterton.
    Bei meiner Rückkehr konnte ich ihr bestätigen, dass dem so war. Inzwischen hatte sie schon längst die Vogelkäfige, den Henkelkorb, die Nachttöpfe und die Waschschüssel beiseitegeräumt. Vor ihr stand nur noch die Truhe.
    » Schließ die Tür ab, mach das Licht an und komm her«, befahl sie mir in gebieterischem Ton, ohne jedoch lauter zu sprechen als nötig.
    Die nackte Glühbirne, die von der Decke hing, erhellte mit ihrem trüben Schein notdürftig das Zimmer. Als Candelaria im Begriff war, den Deckel zu öffnen, trat ich näher. Auf dem Boden der Truhe lag eine verknitterte und schmutzige Decke, die sie vorsichtig, beinahe ehrfürchtig anhob.
    » Sieh nur!«
    Was vor meinen Augen lag, verschlug mir die Sprache und ließ mich erstarren. Ein Haufen dunkler Pistolen, zehn, vielleicht fünfzehn, möglicherweise sogar zwanzig lagen kreuz und quer auf dem Holzboden der Truhe. Jeder Lauf zielte in eine andere Richtung – eine Ansammlung schlafender Mörder.
    » Hast du gesehen?«, wisperte sie. » Dann mach ich wieder zu. Gib mir das Zeug, das auf der Truhe stand, und lösch das Licht.«
    Ihre Stimme klang zwar leise, ansonsten aber wie immer. Wie es um meine bestellt war, wusste ich nicht, denn ich bekam eine ganze Weile kein einziges Wort heraus. Wir setzten uns aufs Bett, und sie erzählte mir im Flüsterton:
    » Es soll ja Leute geben, die

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