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Das Echo der Traeume

Das Echo der Traeume

Titel: Das Echo der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Duenas
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den Verwaltungsbeamten und Offizieren angespannt. Die eine oder andere sephardische Jüdin, reich und schön, mit ihrem weichen, altertümlichen Spanisch, dem Haketía, das eine besondere Satzmelodie besaß.
    Allmählich begann mein Geschäft zu florieren, es sprach sich herum. Geld kam herein: Peseten aus Burgos, der Basis der Nationalisten während des Bürgerkriegs, französische Francs und marokkanische duros hassani. Ich bewahrte alles in einer kleinen, doppelt und dreifach abschließbaren Geldkassette in der zweiten Schublade meines Nachttischchens auf. Am Letzten jeden Monats übergab ich die gesamte Summe an Candelaria. Es dauerte nicht länger als ein Amen in der Kirche, und die Schmugglerin hatte sich eine Handvoll Pesetenscheine für die laufenden Ausgaben genommen und die restlichen zu einer kompakten Rolle gebündelt, die sie flugs zwischen ihren mächtigen Brüsten verschwinden ließ. Den Monatsverdienst sicher in dem warmen Versteck verwahrt, machte sie sich bei den Juden eilig auf die Suche nach jemandem, der ihr das Geld umtauschte und ihr dabei den besten Wechselkurs bot. Wenig später kehrte sie außer Atem in die Pension zurück, nun mit einem an der gleichen Stelle verstauten Bündel zusammengerollter Pfund-Sterling-Scheine. Sie keuchte, da sie so eiligen Schrittes gegangen war, und holte dann die Beute zwischen ihrem Busen hervor. » Sicher ist sicher, meine Kleine, denn am schlausten sind für mich die Engländer. Francos Peseten stecken wir auf keinen Fall in den Sparstrumpf. Am Ende verlieren die Nationalisten noch den Krieg, und dann können wir uns damit nicht einmal den Hintern abwischen.« Sie teilte das Geld gerecht auf: » Eine Hälfte für mich, die andere für dich. Möge es uns nie daran mangeln, Herzchen.«
    Ich gewöhnte mich daran, allein zu leben. Für mich selbst und das Atelier verantwortlich zu sein. Arbeit hatte ich reichlich, Ablenkung wenig. Ich bewältigte das Auftragsvolumen allein, ohne jede Unterstützung, und so war ich ununterbrochen mit Nadel, Faden und Schere, mit Fantasie und Bügeleisen zugange. Hin und wieder verließ ich das Haus, um Stoff einzukaufen, Knöpfe beziehen zu lassen, Garn, Haken und Ösen zu besorgen. Dafür nutzte ich vor allem den Freitag. Dann ging ich zur nahen Plaza de España – dem Feddán, wie die Marokkaner sagten –, um zu sehen, wie der Kalif auf einem Schimmel, von einem grünen Sonnenschirm beschattet, seinen Palast verließ und zur Moschee ritt, umgeben von Soldaten in prächtigen Uniformen: ein eindrucksvolles Schauspiel. Anschließend spazierte ich die neuerdings Calle del Generalísimo genannte Straße hinunter bis zum Muley-el-Mehdi-Platz mit der Kirche Nuestra Señora de las Victorias und der katholischen Mission, in der sich schwarz gekleidete Menschen drängten, die für die Gefallenen beteten.
    Der Krieg: so fern und doch so gegenwärtig. Von der anderen Seite der Meerenge gelangten Nachrichten über den Seeweg zu uns, durch Zeitungen und mündliche Überlieferung. Auf den Landkarten, die zu Hause an der Wand hingen, markierten die Leute mit verschiedenfarbigen Stecknadeln den Vormarsch der Truppen. Auch ich informierte mich in der Einsamkeit meiner Wohnung über die Ereignisse in meiner Heimat. Der einzige Luxus, den ich mir in jenen Monaten gestattete, war der Kauf eines Radioapparates. Dank ihm erfuhr ich, dass sich die republikanische Regierung lange vor Weihnachten nach Valencia zurückgezogen und die Verteidigung Madrids dem Volk überlassen hatte. Die Internationalen Brigaden eilten den Republikanern zu Hilfe, Hitler und Mussolini erkannten Franco als rechtmäßigen Staatschef an, José Antonio Primo de Rivera wurde im Gefängnis von Alicante erschossen, ich hatte hundertachtzig Pfund Sterling zusammengespart, bald war Weihnachten.
    Meinen ersten Heiligabend in Nordafrika verbrachte ich in der Pension. Ich hätte die Einladung zwar gerne abgelehnt, doch die Hauswirtin überzeugte mich wieder einmal mit einer Vehemenz, die keine Widerrede zuließ.
    » Du kommst zum Abendessen in die Calle Luneta und Schluss. Solange es bei Candelaria noch einen Platz am Tisch gibt, verbringt niemand Weihnachten allein.«
    Ich konnte nicht Nein sagen, aber es kostete mich große Überwindung. Je näher die Festtage rückten, desto mehr drang Traurigkeit wie kalte Luft durch jede Ritze, bis das ganze Atelier von Schwermut erfüllt war. Wie mochte es meiner Mutter gehen? Wie ertrug sie es, nicht zu wissen, wie es mir ging? Wie schaffte sie

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