Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
seiner vortrefflichen Suppe. Der Gast wollte zuerst nicht essen, aber der Wirt schwor bei seiner Mutter, diese Suppe sei das beste Schmerzmittel überhaupt. Also probierte der Fremde davon, und es schmeckte ihm. Und wie! Der Wirt hat gesagt, noch nie habe sich jemand so für seine Suppe begeistert. Kaum hatte der Gast aufgegessen, verschwand er. Tschemparkaroke hatte sich schon gedacht, dass er kein Geld dabeihatte und nicht wusste, dass in so einem Fall der König den Hungrigen die Zeche bezahlt. Die Zugereisten wissen das oft nicht und geraten deshalb mitunter in eine heikle Lage. Tschemparkaroke freute sich, dass seine Sammlung merkwürdiger Typen sich um einen weiteren Vertreter vergrößert hatte, und ging weiter seiner Arbeit nach. Nach einer Stunde war sein neuer Freund wieder da, blieb aber am Eingang und trat dort von einem Fuß auf den anderen. Kaum hatte Tschemparkaroke ihn gesehen, forderte er ihn auf einzutreten, denn er schulde ihm ohnehin nichts. Der Gast bekam eine zweite Portion Rekreationssuppe und murmelte, es gehe ihm schon besser. Als ich in den Alten Dorn kam, hatten sich dort schon viele Schaulustige versammelt. Der Wirt machte einen Bombenumsatz, und die Leute hatten was zu gaffen. Mit dem Ankömmling passierte etwas Merkwürdiges. Nach der zweiten Portion Suppe begann er erst zu lallen, dann zu tanzen - und zwar den seltsamsten Tanz, den ich je gesehen habe.
Vielleicht war es ja etwas Volkstümliches aus seiner Heimat. Dann schlief er ein, und ich stellte fest, dass ich mich zu lange im Wirtshaus aufgehalten hatte. Doch der Junge war sowieso nicht fähig, allein wegzugehen. Und obendrein hat Tschemparkaroke mir versprochen, ihn im Auge zu behalten. Ich dachte mir, dieser Sonderling könnte sich vielleicht als einer unserer Kunden entpuppen. Ich hab mich sogar gefragt, ob er ein Mensch ist. Doch ich alter Dummkopf hab mich nicht daran erinnert, dass Tschemparkaroke mir erzählt hat, Sie, Juffin, hätten den armen Jungen in den Alten Dorn geschleppt.*«
Mit dem armen Jungen war natürlich ich gemeint. Juffin seufzte reuig, als er an diesen Fehler dachte.
Am Eingang zum Alten Dorn verzog ich das Gesicht. Das Lokal war zwar berühmt, doch mein Körper wollte nicht wieder hierher, und mir war schon unterwegs übel geworden.
Das Gasthaus war so voll, als hätten alle Bewohner der Hauptstadt einen Sorgenfreien Tag. Kaum hatten sie uns gesehen, räumten sie langsam das Lokal. Der rothaarige Tschemparkaroke setzte eine kluge Miene auf und begann, energisch an den ohnehin sauberen Tellern herumzuschrubben.
Auf der breiten Holztheke lag mein Landsmann. Glücklicherweise gehörte er nicht zu meinen Schulfreunden - das wäre was gewesen! Er schien eher im Alter meines Vaters zu sein. Vielleicht aber hatte auch ein schweres Leben ihm tiefe Falten ins Gesicht gegraben. Er sah ziemlich schrecklich aus: Sein Mantel war schmutzig, seine Hose zerknittert, seit Tagen hatte er sich nicht rasiert, und er hatte tiefe Ringe unter den Augen. Der Arme! Obendrein hatte er sichtlich zu viel Rekreationssuppe gegessen. Sein flacher Atem zeigte, dass es ihm körperlich alles andere als gut ging. Wäre er in unserer Anwesenheit gestorben, hätte mich das nicht überrascht.
Angewidert verzog Juffin das Gesicht: »Und um dieses Naturwunder zu finden, haben wir den ganzen Tag vergeudet? Na prima! Max, nimm ihn mit und lass uns gehen. Tschemparkaroke! Kannst du noch was zu dieser Geschichte beitragen?«
Der rothaarige Wirt zuckte die Achseln: »Was soll ich sagen, Ehrwürdiger Leiter? Das ist keine schöne Geschichte. Am Anfang war er noch lustig, aber dann hat er zu röcheln und zu stöhnen begonnen und einen Unsichtbaren durchs ganze Wirtshaus verfolgt. Die Leute waren mit seiner Show zufrieden, denn sie mögen Sonderlinge - auch wenn sie nicht bei Trost sind. Dann aber ist er auf die Bank gekracht und sofort eingeschlafen. Ich dachte, er würde jeden Moment zu den Dunklen Magistern gehen. Für so was hab ich ein Gespür. Gleich zappelt er ein paar Mal mit den Beinen - und aus die Maus, hab ich gedacht.«
»Vielen Dank für deine Auskunft«, sagte Sir Juffin. »Ich hätte nichts dagegen, wenn er jetzt sterben würde. Und du, Tschemparkaroke, bist sehr tapfer.«
Der Wirt wirkte sehr zufrieden, obwohl er nicht recht verstand, wofür er gelobt worden war. Juffin sah mich müde an.
»Nimm ihn, Max. Worauf wartest du? Tanzen wird er demnächst sowieso nicht mehr.«
Seufzend machte ich die mir schon vertraute
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