Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
Haus an der Brücke, glich seine Miene seinem etwas angegriffenen Gesamtzustand an und berichtete Sir Juffin bei einer Tasse Kamra interessante Neuigkeiten. Abends hingegen, wenn er seinen Nachtdienst begann, pflegte er über große Pläne zu schwadronieren.
»In der Stadt gibt es Gerüchte, du seiest Juffins unehelicher Sohn«, begrüßte mich Sir Kofa Joch. »Aber egal. Du hast schon am ersten Arbeitstag die Auszeichnung des Königs bekommen. Juffin und ich hatten gewettet, ob das tatsächlich passieren würde, und er hat gewonnen. Dank deines Erfolgs und der milden Stimmung Seiner Majestät hat dieser alte Fuchs sechs Kronen verdient. Aber das macht nichts, denn in der Nacht habe ich einiges beim Kartenspiel gewonnen und kann alles bezahlen.«
»Woher kommen diese Gerüchte über meine Herkunft, Sir Kofa?«, hakte ich nach.
»Frag mich was Leichteres. Ich vermute, sie basieren zum Teil auf diffus durchsickernden Informationen, zum Teil auf der erschütternd banalen Fantasie vieler Leute. Vielleicht spielt auch der Wunsch eine Rolle, die langweilige Realität ein wenig aufzupeppen. Ich hab keine Ahnung, Max.«
»Die Leute reden einfach gern«, erklärte Kurusch nachsichtig.
»Hast du schon Gerüchte über den Ehrwürdigen Leiter gehört?«, fragte Kofa. »Die Hälfte davon haben wir selbst in Umlauf gebracht. Der Geheime Suchtrupp soll nämlich einschüchternd wirken. Wusstest du schon, dass Sir Juffin im Besitz eines Lügenrings ist, der tödliche Strahlung aussendet? Jeder, der in seiner Gegenwart die Unwahrheit sagt, muss unter großen Schmerzen sterben. Die ursprüngliche Fassung dieses Gerüchts war bescheidener: Mit Hilfe eines kleines Gegenstands - so lautete sie - überführe Sir Juffin jeden Betrüger. Die grausamen Details verdanken wir also der Volkskunst.«
»Kannst du mir noch mehr erzählen?«, fragte ich interessiert.
»Zum Beispiel ernährt Juffin sich von dem gedörrten Fleisch rebellischer Magister, das er immer dabeihat. Man soll ihm nicht in die Augen sehen, sonst verliert man den Funken und stirbt. Und natürlich schnappt ihn sich Juffin - wer anders? Außerdem lebt er ewig, und seine Eltern waren uralte Magister, die ihren Sohn aus Sand geschaffen haben, den sie mit ihrer Spucke mischten. Der Ehrwürdige Leiter hatte auch einen Zwillingsbruder, den er jedoch eines Tages verspeist hat. Und nachts geht er als Schatten um.«
»Seid ihr am Tratschen? Stör ich etwa?«, fragte die gerade durchgehechelte Kultgestalt der städtischen Mythologie munter und ließ sich genüsslich in einen Sessel fallen.
»Ich versuche nur, den armen Jungen vorzuwarnen«, sagte Sir Kofa und lächelte.
»Arm? Wieso denn arm? Sie hätten ihn als Vampir erleben sollen! Wie war deine Nacht, mein Held?«, fragte Juffin.
»Langweilig - nichts los«, sagte ich selbstmitleidig. »Ich hab die ganze Nacht mit Kurusch geschwatzt.«
»Bei mir gab's auch nichts«, ergänzte Sir Kofa. »Nur zwei stinknormale Einbrüche in reichen Gegenden. Die Diebe haben zwar die teuersten Sachen mitgenommen, aber General Bubuta wird das schon schaffen. Max hat recht, es war extrem langweilig. Echo - früher ein Bollwerk krimineller Romantik - verwandelt sich langsam in einen provinziellen Sumpf.«
»So schlimm ist es auch wieder nicht. Es ist doch schrecklich, wenn's zu bunt wird. Geh nach Haus und erhol dich, Max.«
Genau das hatte ich vor, doch im Treppenhaus hörte ich eine laute Stimme, die zwischen Bass und Falsett schwankte: »Du wagst es, mir so einen Blödsinn zu erzählen?! Sechzig Jahre bin ich jetzt hier, und noch niemand ...«
Ich riss die Tür auf. Ein athletisch gebauter, in einen purpurroten Mantel gehüllter Mann an der Schwelle zu deutlichem Übergewicht pöbelte den erschrockenen Chauffeur meines Dienst-A-Mobils an.
»Ruhe, aber sofort!«, rief ich. »Der Ehrwürdige Leiter des Geheimen Suchtrupps hat geschworen, die auf den Scheiterhaufen zu bringen, die ihn stören. Hören Sie also mit dem Geschrei auf. Der Fahrer steht in königlichem Dienst!«
»Was? Wer sind Sie, und was erlauben Sie sich?«, fragte das bullige Geschöpf und schien wieder gesprächsfähig.
»Haben Sie zu viel getrunken, Sir?«, schleuderte ich ihm gut gelaunt entgegen. »Ihr Büro ist im anderen Trakt. Wir sind hier im Treppenhaus des Gebäudes, das sich Stadtpolizei und Kleiner Geheimer Suchtrupp teilen. Seien Sie so gut und respektieren Sie das, denn hier halten sich einige zornige Leute auf, die sich so ihre Gedanken machen, wenn mal
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