Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
Fenster des Nachbarhauses ... und meine Angst. Tatsächlich: Auf der ganzen Welt kannte ich nur diesen Ort. Und ich spürte Unheil.
Im Haus gegenüber öffnete sich ein Fenster, und ich fühlte mich beobachtet. Dann tauchte eine Hand auf, und ein Schwung Sand kam aus der Dunkelheit, fiel aber nicht auf den Gehsteig, sondern schwebte in der Luft wie eine goldene Wolke. Dann ein zweiter Schwung, ein dritter. Schon führte ein kurzer Pfad durch die Luft. Ich war überzeugt zu wissen, wohin. »Die ganze Geschichte sollte sich weiterentwickeln«, dachte ich. »Also gut, dann soll sie weitergehen ... Aber das ist ja gar nicht mein Gedanke - das sind doch Juffins Worte!«
Als ich mich an das Gespräch mit meinem Chef erinnerte, wusste ich wieder, wer ich bin, und war erleichtert. Zwar hatte ich noch immer Angst, doch sie hatte ihre lähmende Ausschließlichkeit verloren. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich träumte - und zwar keinen normalen Traum, sondern den eines Menschen, der seinen Alptraum beobachtet. Und ich wusste, dass ich aufwachen musste. Doch das klappte nicht.
»Ich Dummkopf hab vergessen, das Armband anzulegen«, überlegte ich panisch, wachte dann aber - den Magistern sei Dank! - doch noch auf und ... merkte, dass ich tatsächlich auf dem Tisch im Wohnzimmer geschlafen hatte, statt mit der Enzyklopädie der Welt im Bett zu liegen. War ich etwa in einen Horrorfilm zweiter Klasse geraten?
Mit schlotternden Knien ging ich ins Schlafzimmer hinauf. Vor allem fürchtete ich, im Bett einen zweiten Max zu entdecken. Denn wer könnte entscheiden, welcher der Richtige war?
Doch oben lag niemand. Mit zitternden Händen nahm ich die Flasche Kachar-Balsam, die ich vorsorglich ans Kopfende des Betts gelegt hatte, und trank einen Schluck und noch einen. Nun fühlte ich mich schon besser, sprang unter die Bettdecke und nahm mir fest vor, nicht einzuschlafen. Dann sagte ich Juffin per Stummer Rede Bescheid.
»Ich bin eingeschlafen - die Sache sieht schlecht aus.«
»Na, wenn du eingeschlafen bist, ist alles halb so schlimm. Komm ins Fressfass, ich spendiere dir ein Frühstück. Auch ich habe Neuigkeiten für dich.«
»In einer Stunde bin ich da! Ende!«
»Was meinst du mit >Ende«, fragte Juffin irritiert.
»Ende der Verbindung, was sonst?«
»Na dann, Ende!«, meinte er amüsiert.
Das Fressfass war wirklich ein magischer Ort. Jeder fühlte sich dort wohl, und es gelang mir sogar, die Ereignisse der Nacht recht humorvoll zu erzählen.
»Du hast also wieder auf dem Tisch geschlafen? Dann ist die Sache ernster als vermutet. Ich fürchte, du musst doch ein paar Tage bei mir bleiben, und ich übernachte derweil in deinem Haus. Vielleicht bekomme ich ja auch Alpträume.«
»Ich hab eine andere Idee: Ich bleibe, und Sie setzen sich neben mich und halten mir wie ein Kindermädchen die Hand. <<
»So was hatte ich mir auch schon überlegt, aber ...«
»Was für ein Aber denn, Juffin? Ich hab das doch jetzt schon zwei Nächte lang erlebt! Die Sache entwickelt sich! Wenn Sie jetzt aber statt meiner bei mir übernachten, werden Sie bestimmt in den nächsten beiden Nächten die Szenen sehen, die ich gestern und vorgestern gesehen habe. Auf diese Weise verlieren wir mindestens zwei Tage.«
»Wahrscheinlich. Aber mir gefällt nicht, dass dieses Geschöpf sich deiner so leicht bemächtigen kann. Ich fürchte, du bist im Schlaf noch zu schwach.«
»So kann man das nicht sagen! Ich habe mir immer wieder ins Bewusstsein gerufen, dass es sich bei dem, was ich erlebt habe, nur um einen Traum gehandelt hat. Und ich bin sogar aufgewacht, obwohl ich das Armband vergessen hatte.«
»Das hättest du auf keinen Fall vergessen dürfen, Max! Auf gar keinen Fall! Schließlich handelt es sich - unter uns gesagt - um das Armband des Großen Magisters vom Orden des Geheimen Krauts.«
»Ernähren Sie sich nicht zufällig von den Mitgliedern dieses Ordens?«
Juffin kicherte kurz, wurde dann aber ernst.
»Du hast mit dem Kachar-Balsam wohl etwas übertrieben? Deine Lebensfreude macht mir Angst.«
»Mir auch. Sind Sie einverstanden, mein Händchen zu halten?«
»Versuchen kann ich es. Doch ich vermute, die Anwesenheit eines Wachenden beeinflusst die Entwicklung.«
»Wenigstens kann ich mich dann endlich erholen. Und was passiert, wenn wir beide einschlafen?«
Plötzlich hatte Juffin eine Idee. »Vielleicht sollte ich dein Händchen doch nicht halten, sondern dich besser von meinem Büro aus beobachten. Ja, so machen wir's. Aber
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