Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
und ich ein normales.«
»Er weiß sogar, wie viele Federn jeder von uns besitzt«, vertraute Kurusch mir an. »Für einen Menschen ist das enorm.«
»Ist das wahr?«, fragte ich erstaunt. »Selbst wenn dies das Einzige ist, was Sie behalten haben, Lukfi, bin ich im Vergleich zu Ihnen ein Schwachkopf. Und alle anderen auch.«
»Was reden Sie denn da, Sir Max«, erwiderte der erstaunliche Mann ernst. »Sie sind kein Schwachkopf, sondern nur unaufmerksam - wie die überwältigende Mehrheit.«
Sündige Magister! Warum war er so bescheiden, bloß von Unaufmerksamkeit zu sprechen?
Lukfi verabschiedete sich und ließ mich mit Kurusch, der gleich einschlief, allein. Sofort machte ich mich an die Arbeit: Auf Juffins Tisch fand ich viele aktuelle und alte Zeitungen. Als Neuling in Echo begeisterte mich jedes Journal wie ein Fantasy-Roman, den man allerdings jederzeit beiseitelegen konnte, um durch eine scheinbar fiktive Realität zu spazieren.
Sir Kofa Joch trudelte vor Tageseinbruch ein und brummte, es gebe nichts Neues, und mit Neuigkeiten sei auch nicht zu rechnen. Er habe lediglich von vier Wohnungseinbrüchen gehört, aber damit müsse sich unsere tapfere Polizei herumschlagen. Er jedenfalls gehe jetzt schlafen, und von ihm aus könnten sich alle zum Teufel scheren. Ich seufzte mitfühlend und las weiter in einem gut ein Jahr alten Trubel von Echo.
Sir Juffin erschien recht früh, orderte Kamra und betrachtete mich nachdenklich. »Bisher gibt es keine Neuigkeiten, Max, jedenfalls keine echten. Aber ich habe eine Idee: Eigentlich steht mein Haus für dich immer offen, doch du hast recht - es ist besser, wenn du noch ein oder zwei Nächte bei dir bleibst. Solltest du keine Alpträume bekommen, ist alles prima. Wenn aber doch, tja ... So unangenehm es für dich auch ist: Die ganze Geschichte sollte sich weiterentwickeln. Vielleicht erfahren wir auf diese Weise etwas Interessantes.«
»Woran denken Sie? Worauf muss ich mich gefasst machen?«
»Soll ich ehrlich sein? Auf das Schlimmste! Dein Haus gefällt mir gar nicht, aber ich weiß nicht, warum. Ich kann mich auch an keinen ähnlichen Fall erinnern. Vielleicht ist ja alles nur aus Langeweile entstanden, aber das glaub ich eigentlich nicht. Wir werden es herausfinden. Ich erkundige mich gleich bei Sir Lukfi nach dem Hausbesitzer und den Nachbarn. Jetzt nimm das hier«, sagte er und gab mir ein nicht gerade hübsches Armband. »Streif das über. Es ist die Garantie, dass du aufwachst.«
»Kann es wirklich so gefährlich werden?«
»Leider ja. Das Leben ist voller Gefahren, und am schlimmsten sind die Dinge, die wir nicht begreifen. Oder die es nicht gibt. Na schön. Wenn du aufwachst, sag mir Bescheid.«
Verantwortung zu tragen, erleichtert das Einschlafen nicht gerade. Ich wälzte mich herum und nahm schließlich die Enzyklopädie von Manga Melifaro zur Hand, um mir ihre hübschen Zeichnungen anzuschauen. Die hiesigen Katzen interessierten mich besonders, und ich hoffte, Darstellungen von ihnen zu finden. Das dauerte zwar lange, doch endlich glückte es mir. Auf den ersten Blick wirkten die wunderschönen Geschöpfe wie normale Katzen - nur dass sie auffällig groß waren, länger als einen Meter bei etwa vierzig Zentimetern Höhe. Das konnte ich berechnen, weil auf einer Zeichnung neben den Katzen ein Mann im gestrickten Lochimantel zu sehen war. Laut Bildunterschrift war er ein Hirte. Ich erfuhr auch, dass die Bewohner von Landland Katzen wegen ihres warmen Fells besonders gern züchten. Wie Schafe! Das erschütterte und begeisterte mich zugleich. Sollte ich mir auch ein Kätzchen anschaffen? Für hauptstädtische Snobs sind das Nutztiere, die man in Massen hält. Aber ich - ein Barbar von der Grenze zu den Leeren Ländern - konnte mir so eine Extravaganz leisten.
Über der Vorstellung, erster Katzenbesitzer von Echo zu werden, schlief ich ein. Vielleicht wäre es besser für mich gewesen, länger wach zu liegen, denn aus dem ersehnten Schlaf trat mir rasch ein unangenehmer Traum entgegen, in dem ich erneut hilflos und erstarrt auf dem Tisch im Wohnzimmer lag.
Diesmal war es noch schlimmer: Ich hatte alles Wissen über mich verloren. Wer ich war, woher ich kam, wo ich mich befand, was ich gemacht und mit welchen Mädchen ich mich getroffen hatte, wie meine Freunde hießen und wo ich die Kindheit verbracht hatte - auf all diese Fragen hatte ich keine Antwort. Mein Wissen über die Welt beschränkte sich auf mein Schlafzimmer, den Blick auf die dreieckigen
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