Das Echo Labyrinth 01 - Der Fremdling
seien noch immer sehr ineinander verliebt. Wenn Sir Schürf seine Frau ansah, bekam sein undurchdringliches Gesicht beinahe etwas Menschliches. Gut, dass Lonely-Lokley im familiären Bereich so glücklich war, denn das persönliche Wohlbefinden eines Berufskillers ist für die allgemeine Sicherheit immer von Vorteil. Kaum hatte ich mir das überlegt, besserte sich meine Stimmung merklich.
Ich hätte ewig in meinem Sessel sitzen bleiben können. Unangenehme Dinge will man ja immer auf morgen verschieben. Doch leider war dieses Morgen nun angebrochen. Die Erinnerung an die Gemütlichkeit vom Vorabend, an den netten Besuch bei Sir Juffin also, musste ich beiseiteschieben, um mich auf den kommenden Auftrag zu konzentrieren. Das kleine warme Jetzt - dessen war ich mir bewusst - blieb noch kurz in meinem Sessel zurück, um sich alsbald zu verflüchtigen.
Ich stand auf und begann, mich vorzubereiten. Ella und Armstrong - meine etwas größer gewordenen Katzen - meldeten laut, ihre Frühstückszeit sei gekommen. Zum Abschied war ich großzügig, vielleicht sogar verschwenderisch.
»Von nun an wird euch ein anderer füttern - ein Herr Urf«, verkündete ich meinen Tieren, während ich ihre Fressnäpfe füllte. »Er soll ein guter Mensch sein und ist auf dem Bauernhof groß geworden, wo er genauso haarige Kleintiere gefüttert hat wie euch. Ich bin bald zurück. Ich gehe nur ein wenig ins Gefängnis und komme dann wieder.« Als mir auffiel, welchen Unsinn ich mir da zusammenmonologisierte, brach ich in Gelächter aus.
Armstrong und Ella sahen mich mit blauen, so unbewegten wie undurchdringlichen Augen an, die denen von Sir Juffin auf eigentümliche Weise glichen.
Der Morgen war nicht mehr so kalt wie die Nacht. Ich genoss jeden Schritt meines Spaziergangs zum Haus an der Brücke. Der Gedanke, ich könnte demnächst in Cholomi - wie alle meine Vorgänger in Zelle Nummer Fünf - ein plötzliches Ende finden, schärfte meine Sinne angenehm. Vielleicht war das alles ja nur ein Zusammen treffen verschiedener Zufälle? Aber das wäre wohl zu einfach.
Doch das Herz lässt sich nicht betrügen - mein Herz jedenfalls nicht. Und langsam wurde es schwer wie Blei. Was würde wohl passieren, wenn ich in Cholomi eintraf? Ich wurde immer nervöser. Auch der Gedanke daran, dass der mächtige Lonely-Lokley demnächst wie eine klitzekleine Puppe unter meiner Handfläche säße, konnte mich nur teilweise beruhigen. Denn immerhin musste es mir gelingen, ihn im richtigen Moment aus meinem Körper zu befreien und zu voller Größe anwachsen zu lassen.
Sir Lonely-Lokley erwartete mich im Saal der allgemeinen Arbeit. Er war unerschütterlich, gelassen und ruhig wie stets. Um seine Zeit sinnvoll zu nutzen, schrieb er etwas in sein Notizbuch. Als ich ihn ansah, fasste ich wieder Mut.
»Na, Sir Schürf, sind Sie bereit, mein Opfer zu werden?«
»Ihr Opfer? Sir Max, Sie überschätzen die Bedeutung dessen, was vor uns liegt!«, meinte er ungerührt. »Glauben Sie mir - ich habe keinen Grund zur Beunruhigung. Und Sie noch weniger.«
»Vielen Dank für Ihr Vertrauen!«, sagte ich. Dann machte ich mit der linken Hand eine Geste, die für die Umstehenden unsichtbar war, und Sir Lonely-Lokley verschwand. Theoretisch war mir zwar klar, dass er nicht wirklich verschwunden war, sondern sich zwischen Daumen und Zeigefinger meiner Linken befand, praktisch jedoch hatte ich das Gefühl, den armen Mann aus der Welt geschafft zu haben.
»Schön hast du das gemacht, Sir Nächtlicher Alptraum«, begeisterte sich Melifaro, der kurz zuvor aus seinem Büro gekommen war. »Sag mal, kannst du ihn jetzt nicht hundert oder zweihundert Jahre lassen, wo er ist?«
»Dagegen dürfte Lady Lokley manchen Einwand haben, und ich will ihr keinen Kummer bereiten«, sagte ich lächelnd. »Und du - warum bist du so früh im Büro?«
»Juffin hat mich geweckt und mir per Stummer Rede mitgeteilt, dass er erst mittags kommen kann. Er hat mir befohlen, dich zu begleiten. Offenbar will er meinen Tod. Normalerweise steht er immer schon im Morgengrauen auf, doch heute hat er mich zu nachtschlafender Zeit aus den Federn geholt!«
»Er versteckt sich wohl vor mir!«, sagte ich frech.
»Vor dir? Du bist gut! Soweit ich die Geschichte des Vereinigten Königreichs kenne, hat sich Sir Juffin in den letzten hundert Jahren vor niemandem gedrückt. Vielleicht ist ihm das in der Epoche der Orden mal passiert, aber damals haben sich alle voreinander versteckt. Womit willst du ihn eigentlich
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