Das Echo Labyrinth 02 - Die Reise nach Kettari
mal im Traum zu begegnen.
Natürlich merkte Sir Juffin schnell, dass etwas nicht stimmte, verlor aber kein Wort über meine regelmäßige Abwesenheit vom Dienst. Jedes Mal, wenn ich ihm begegnete, sah ich in seinen Augen eine unbeschreibliche Neugier funkeln. Der Ehrwürdige Leiter ähnelte einem Naturwissenschaftler, der sich im Labor begeistert über seine Glaskolben beugt. Anscheinend war ich für ihn eine Art seltsamer Virus, dessen stolz verkündete Entdeckung ihm unter Kollegen Ruhm und Ehre eintragen sollte.
Tatsächlich waren inzwischen Scharen von Köchen im Haus an der Brücke aufgetaucht. Schließlich beehrte uns auch der berühmte Gopa Talabun, jener Wirt also, dem alle Gasthäuser gehörten, die ein Skelett im Namen führten - ob sie nun Gesättigtes, Betrunkenes, Dickes oder Glückliches Skelett oder noch anders hießen. Damit war auch dem Letzten von uns klar, dass Sir Juffins geniale Idee in Echo eingeschlagen hatte.
Gopa brauchte den Ohrring allerdings nicht, denn er konnte weder kochen, noch nahm er warmes Essen zu sich. Stattdessen hatte er zwei Dutzend seiner besten Köche dabei, und während Melifaro ihnen Zaubersprüche in die Ohren träufelte, predigte Talabun den unbeschäftigten Mitgliedern des Kleinen Geheimen Suchtrupps, wie schädlich es sei, sich zu überfressen. Dabei wusste er bestimmt, dass ihm niemand richtig zuhörte.
Seit unserem historischen Besuch in der Burg Jafach waren zehn Tage vergangen. Eine Stunde vor Sonnenuntergang meldete sich Sir Kofa Joch per Stummer Rede bei mir, als ich die Hand gerade wieder unter mein Kissen schieben wollte, um die sechste Zigarette des Tages zu organisieren. Bisher war es mir selten gelungen, bis Dienstantritt auch nur fünf Kippen zu ergattern, doch ich versuchte es unverdrossen weiter.
»Kommen Sie heute wie üblich im Todesmantel zum Dienst, Sir Max, aber bringen Sie auch Sachen zum Wechseln mit«, riet mir Sir Kofa. »Und machen Sie sich auf alles gefasst.«
»Ist etwas passiert?«, fragte ich erschrocken.
»Nein, aber heute Nacht wird etwas passieren, glauben Sie mir. Erwarten Sie mich kurz nach Mitternacht. Ende.«
Ich war so verwirrt, dass ich vergaß, mich über die sechste Zigarette zu freuen, die mir wie von selbst in die Hand gesprungen zu sein schien.
Im Haus an der Brücke herrschte der alltägliche Wahnsinn. Ein abgemagerter und schlecht gelaunter Melifaro diskutierte mit einem runden Dutzend Köchen, die den Ohrring Ochola unbedingt an diesem Abend noch bekommen wollten.
»Meine Herren, ich arbeite nur bis Sonnenuntergang. Sehen Sie die Sonne noch irgendwo am Himmel? Oder haben Sie nicht auch den Eindruck, dass es massiv dämmert? Na also - kommen Sie bitte morgen wieder.«
Die Köche, die stundenlang im Saal der allgemeinen Arbeit ausgeharrt hatten, scharrten verärgert mit den Füßen und hofften noch immer, Melifaro würde nur ein wenig jammern und ihnen dann doch noch einen Ohrring verpassen.
»Stört es Sie so sehr, morgen wiederzukommen?«, fragte ich freundlich. »Wenn Sie dafür keine Zeit haben, kann ich mich ja jetzt mit Ihnen beschäftigen. Ist jemand interessiert?«
Erschrocken musterten die Köche meinen schwarzgoldenen Todesmantel und verließen nacheinander den Saal. Nach einer Minute war ich mit Melifaro allein.
»Vielen Dank, Sir Nachtantlitz«, sagte er und lächelte müde. »Ich hätte nicht gedacht, dass es in Echo so viele Köche gibt. Heute habe ich hundertfünfzig Männer beringt - ist das nicht unglaublich? Und ich bin nicht so abgehärtet, wie dieser Unmensch Juffin vermutet. Aber jetzt lege ich mich schlafen. Morgen beginnt die Fron von neuem.«
Ich ging in mein Büro. Es war leer - Sir Juffin war bestimmt in ein Wirtshaus gegangen, um die segensreichen kulinarischen Folgen seiner Gesetzesreform zu genießen.
»Max«, sagte Lady Melamori, die plötzlich in der halb offenen Tür stand, »bist du schon da?«
»Nein«, entgegnete ich mit gespielter Entrüstung. »Du hast Halluzinationen!«
»Das hatte ich mir schon gedacht«, meinte sie und setzte sich auf die Armlehne meines Schreibtischstuhls.
»Kannst du mir Kamra geben? Ich hab Lust, ein wenig mit dir zu plaudern. Heute möchte ich nicht spazieren gehen. Weißt du, in letzter Zeit schlafe ich schlecht. Ich wollte dich fragen ...«
»Schieß los!«
Doch in diesem Augenblick kam der Bote vom Fressfass. Melamori schenkte sich ein wenig Kamra ein und versenkte den Blick darin. Also würden wir uns die nächsten zehn Minuten nicht
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