Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
Vorteile. Solange die Frauen, die von einem Schürzenjäger verlassen wurden, auch nur die geringste Chance haben, einige ihrer Kinder aufzuziehen, wird dieser unweigerlich einen größeren Teil seiner Gene vererben als ein rivalisierendes Männchen, das ein rechtschaffener Ehemann und Vater ist. Gene, die die Männchen zu einer wirksamen Täuschung befähigen, werden im Genpool tendenziell begünstigt werden.
    Umgekehrt wird die natürliche Auslese gemeinhin Weibchen begünstigen, die die Fähigkeit entwickeln, eine derartige Täuschung zu durchschauen. Eine mögliche Vorgehensweise für sie besteht darin, sich besonders abweisend zu verhalten, wenn ihnen ein neues Männchen den Hof macht, in den aufeinanderfolgenden Fortpflanzungsperioden aber zunehmend schneller bereit zu sein, die Annäherungsversuche des Gatten vom vorigen Jahr zu akzeptieren. Dies führt automatisch zu einer Benachteiligung junger Männchen, für die es die erste Paarungszeit ist, unabhängig davon, ob sie Betrüger sind oder nicht. Die erste Brut unerfahrener Weibchen enthält gewöhnlich einen relativ hohen Anteil an Genen untreuer Väter, aber im zweiten Jahr sowie in darauffolgenden Jahren im Leben einer Mutter sind treue Väter im Vorteil, da sie nicht mehr dieselben langwierigen, kraft- und zeitvergeudenden Balzrituale absolvieren müssen. Wenn die Mehrheit der Individuen in einer Population von erfahrenen und nicht von unkritischen jungen Müttern abstammt – in jeder langlebigen Art eine vernünftige Annahme –, dann werden Gene für rechtschaffene, gute Vaterschaft im Genpool die Oberhand gewinnen.
    Der Einfachheit halber habe ich mich so ausgedrückt, als ob ein Männchen entweder völlig ehrlich oder durch und durch falsch wäre. In der Realität ist es eher wahrscheinlich, daß alle Männchen, ja alle Individuen ein kleines bißchen betrügerisch sind insofern, als sie dafür programmiert sind, jede Gelegenheit zum Ausnutzen ihrer Gatten wahrzunehmen. Die natürliche Auslese hat die großangelegte Täuschung auf einem recht niedrigen Niveau gehalten, indem sie die Fähigkeit jedes Partners, beim anderen Unehrlichkeit zu entdecken, verschärft hat. Das männliche Geschlecht kann durch Unehrlichkeit mehr gewinnen als das weibliche, und wir müssen selbst bei jenen Arten, deren Männchen beachtliche elterliche Selbstlosigkeit an den Tag legen, mit einer männlichen Tendenz rechnen, ein kleines bißchen weniger zu arbeiten als die Weibchen und ein kleines bißchen eher bereit zu sein, sich davonzumachen. Bei Vögeln und Säugetieren ist dies mit Sicherheit gewöhnlich der Fall.
    Es gibt jedoch auch Arten, bei denen das Männchen mehr für die Pflege der Jungen tut als das Weibchen. Bei Vögeln und Säugetieren sind diese Fälle väterlicher Aufopferung außerordentlich rar, aber unter den Fischen sind sie weit verbreitet. Warum?5 Diese Frage ist eine Herausforderung an die Theorie des egoistischen Gens, die mir eine geraume Zeit zu denken gegeben hat. Eine geniale Lösung ist mir vor kurzem in einer Diskussion von Tamsin R. Carlisle vorgeschlagen worden.
    Sie wendet den oben erwähnten Triversschen Gedanken der „grausamen Bindung“ folgendermaßen an.
    Viele Fische kopulieren nicht, sondern setzen ihre Geschlechtszellen ins Wasser ab. Die Befruchtung findet im offenen Wasser statt, nicht im Körper eines der Partner. So hat die geschlechtliche Fortpflanzung vermutlich einmal angefangen. Auf dem Land lebende Tiere wie Vögel, Säugetiere und Reptilien können sich diese Art äußerer Befruchtung nicht leisten, weil ihre Geschlechtszellen zu anfällig gegen Austrocknen sind. Die Gameten eines Geschlechts – des männlichen, da Spermien beweglich sind – werden in das feuchte Innere eines Angehörigen des anderen Geschlechts – des weiblichen – hineingebracht. Soweit die Tatsachen. Jetzt kommt die Idee. Bei Landtieren verbleibt nach der Kopulation der Embryo physisch im Besitz der Mutter. Er befindet sich im Innern ihres Körpers. Selbst wenn sie das befruchtete Ei fast unverzüglich legt, hat das Männchen immer noch Zeit, zu verschwinden und damit das Weibchen in Trivers’ „grausame Bindung“ hineinzuzwingen. Zwangsläufig erhält das Männchen die Gelegenheit, sich als erster davonzumachen, womit es der Entscheidungsfreiheit des Weibchens ein Ende setzt und diesem die Alternative aufzwingt, entweder das Junge dem sicheren Tod auszuliefern oder bei ihm zu bleiben und es aufzuziehen. Daher ist die mütterliche Pflege bei den

Weitere Kostenlose Bücher