Das egoistische Gen
überwiegen, beginnen sich die Dinge auch im männlichen Lager zu ändern. Bisher hatten die treuen Männchen ein Monopol. Doch wenn jetzt ein Schürzenjäger in der Population auftritt, wird er besser abschneiden als seine treuen Rivalen. In einer Population, in der alle Weibchen leichtfertig sind, ist der Gewinn für ein flatterhaftes Männchen tatsächlich groß. Es bekommt die 15 Punkte, wenn ein Kind erfolgreich aufgezogen worden ist, und es trägt keinerlei Kosten. Dieses Fehlen von Kosten bedeutet für es hauptsächlich, daß es sich erlauben kann, wegzugehen und sich mit neuen Weibchen zu paaren. Jede seiner bedauernswerten Frauen schlägt sich mit dem Kind allein durch und zahlt den vollen Preis von -20 Punkten. Allerdings hat sie nichts für auf die Werbung vergeudete Zeit zu bezahlen. Wenn ein leichtfertiges Weibchen auf ein flatterhaftes Männchen trifft, so beträgt die Nettoprämie des Weibchens +15 – 20 = -5. Die Prämie für den Schürzenjäger selbst ist +15. In einer Population, in der alle Weibchen leichtfertig sind, verbreiten sich Schürzenjäger wie ein Lauffeuer.
Wenn die Schürzenjäger so erfolgreich zunehmen, daß sie im männlichen Teil der Population die Oberhand gewinnen, geraten die leichtfertigen Weibchen in böse Schwierigkeiten. Jedes spröde Weibchen wäre stark im Vorteil. Wenn ein zurückhaltendes Weibchen einen Schürzenjäger trifft, so führt dies zu nichts. Sie besteht auf einer langen Werbezeit; er weigert sich und macht sich auf die Suche nach einem anderen Weibchen. Keiner der beiden zahlt eine Strafe für verschwendete Zeit. Und keiner gewinnt etwas, da kein Kind erzeugt wird. Dies ergibt eine Nettoprämie von null für ein sprödes Weibchen in einer Population, in der alle Männchen flatterhaft sind. Null mag nicht viel scheinen, aber es ist besser als -5, die durchschnittliche Punktzahl für ein leichtfertiges Weibchen. Selbst wenn ein leichtfertiges Weibchen sich entschlösse, seine Jungen zu verlassen, nachdem es selbst von einem Schürzenjäger im Stich gelassen worden ist, hätte es immer noch den beträchtlichen Preis eines Eies bezahlt. So breiten sich Gene für Sprödigkeit wieder im Genpool aus.
Um den hypothetischen Kreislauf zu schließen: Wenn spröde Weibchen zahlenmäßig so stark zunehmen, daß sie überwiegen, geraten die flatterhaften Männchen, die mit den leichtfertigen Weibchen ein so sorgenfreies Leben hatten, in Schwierigkeiten.
Ein Weibchen nach dem anderen besteht darauf, daß ihm lang und ausdauernd der Hof gemacht wird. Die Schürzenjäger flattern von Weibchen zu Weibchen, es ist immer dasselbe. Wenn alle Weibchen spröde sind, ist die Nettoprämie für einen flatterhaften Bewerber gleich null. Wenn jetzt ein einzelner treuer Ehemann auftritt, so ist er der einzige, mit dem die spröden Weibchen sich paaren werden. Seine Nettoprämie beträgt +2, also mehr als die der Schürzenjäger. So beginnen Gene für Treue wieder zuzunehmen, und der Kreis schließt sich.
Wie bei der Analyse der Aggression habe ich das Ganze so dargestellt, als ob es sich um eine endlose Pendelbewegung handele. Doch wie in jenem Fall läßt sich auch hier zeigen, daß in Wirklichkeit keine Pendelbewegung stattfinden würde. Das System würde sich einem stabilen Zustand annähern. 4 Wenn man es durchrechnet, so stellt sich heraus, daß eine Population, in der 5/6 der Weibchen zurückhaltend und 5/8 der Männchen treu sind, evolutionär stabil ist. Dies gilt selbstverständlich nur für die speziellen Willkürlichen Zahlen, von denen wir ausgegangen sind, doch die stabilen Relationen für beliebige andere Zahlenwerte lassen sich leicht ausrechnen.
Wie bei den Analysen von Maynard Smith brauchen wir uns nicht vorzustellen, daß es zwei verschiedene Arten von Männchen und zwei verschiedene Arten von Weibchen gibt.
Die evolutionär stabile Strategie ließe sich ebensogut erreichen, wenn jedes Männchen 5/8 seiner Zeit treu wäre und den Rest mit Herumtändeln verbrächte und wenn jedes Weibchen 5/6 seiner Zeit spröde und 1/6 seiner Zeit leichtfertig wäre. Gleichgültig, wie wir uns die ESS vorstellen, sie bedeutet folgendes: Jeder Versuch der Angehörigen eines der beiden Geschlechter, von der für dieses Geschlecht stabilen Proportion abzuweichen, wird durch eine daraus resultierende Veränderung in der Strategienrelation des anderen Geschlechts bestraft, was wiederum für das ursprünglich abweichende Geschlecht ein Nachteil ist. Daher wird die ESS fortbestehen.
Wir
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