Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
ausgehen, daß der einzelne Mensch im Grunde egoistisch ist, könnte uns das vorausschauende Denken – unsere Fähigkeit, die Zukunft in unserer Vorstellung zu simulieren – vor den schlimmsten egoistischen Exzessen der blinden Replikatoren bewahren. Wir besitzen zumindest das geistige Rüstzeug, um weniger unsere kurzfristigen als vielmehr unsere langfristigen egoistischen Interessen zu fördern. Wir sind in der Lage, die langfristigen Vorteile der Beteiligung an einer „Verschwörung der Tauben“ zu erkennen, und wir können uns zusammensetzen und Mittel und Wege diskutieren, wie die Verschwörung zum Funktionieren gebracht werden kann. Wir haben die Macht, den egoistischen Genen unserer Geburt und, wenn nötig, auch den egoistischen Memen unserer Erziehung zu trotzen. Wir können sogar erörtern, auf welche Weise sich bewußt ein reiner, selbstloser Altruismus kultivieren und pflegen läßt – etwas, für das es in der Natur keinen Raum gibt, etwas, das es in der gesamten Geschichte der Welt nie zuvor gegeben hat. Wir sind als Genmaschinen gebaut und werden als Memmaschinen erzogen, aber wir haben die Macht, uns unseren Schöpfern entgegenzustellen. Als einzige Lebewesen auf der Erde können wir uns gegen die Tyrannei der egoistischen Replikatoren auflehnen. 8

12. Nette Kerle kommen zuerst ans Ziel
    Nette Kerle gehen als letzte durchs Ziel. Dieser Satz scheint aus der Welt des Sports zu kommen, wenngleich einige wichtige Leute behaupten, er sei zuvor bereits in einem anderen Zusammenhang verwendet worden. Der amerikanische Biologe Garrett Hardin benutzte ihn, um die Kernaussage der Soziobiologie beziehungsweise der Theorie vom „egoistischen Gen“ zu umschreiben. Wie passend der Satz ist, läßt sich leicht erkennen. Wenn wir die landläufige Bedeutung von „netter Kerl“ in ihr darwinistisches Äquivalent übersetzen, so ist ein netter Kerl ein Individuum, das auf seine Kosten anderen Mitgliedern seiner Art hilft, ihre Gene an die nächste Generation weiterzugeben. Somit scheinen nette Kerle dazu verdammt zu sein, zahlenmäßig abzunehmen: Das Nettsein stirbt einen darwinistischen Tod. Doch gibt es noch eine andere, fachgebundene Auslegung des landläufigen Wortes „nett“. Legen wir diese zweite Definition zugrunde, die von der umgangssprachlichen Bedeutung nicht allzuweit entfernt ist, so können nette Kerle tatsächlich zuerst   durchs Ziel gehen. Diese optimistischere Perspektive ist das Thema dieses Kapitels.
    Erinnern wir uns an die „Nachtragenden“ aus Kapitel 10.
    Das waren Vögel, die einander in scheinbar altruistischer Weise halfen, sich aber weigerten, solchen Individuen zu helfen, die zuvor ihnen ihre Hilfe verweigert hatten. Die Nachtragenden wurden schließlich in der Population vorherrschend, denn sie gaben mehr Gene an zukünftige Generationen weiter als die „Betrogenen“ (die allen anderen ohne Unterschied halfen und ausgebeutet wurden) und auch die „Betrüger“ (die rücksichtslos jeden auszubeuten versuchten und sich schließlich untereinander betrogen). Die Geschichte der Nachtragenden illustriert ein wichtiges allgemeines Prinzip, das Robert Trivers als „wechselseitigen Altruismus“ bezeichnete.
    Wie wir am Beispiel des Putzerfisches (Kapitel 10) gesehen haben, gibt es gegenseitigen Altruismus nicht nur unter Artgenossen. Er ist in allen Beziehungen im Spiel, die wir als symbiotisch bezeichnen – zum Beispiel bei den Ameisen, die ihre „Blattlausherden“ melken. Seit der Zeit, in der Kapitel 10 geschrieben wurde, hat der amerikanische Politologe Robert Axelrod (zum Teil in Zusammenarbeit mit W. D. Hamilton, dessen Namen wir auf so vielen Seiten dieses Buches wiederfinden) die Idee des reziproken Altruismus in aufregende neue Richtungen weiterentwickelt. Es war Axelrod, der die fachgebundene Bedeutung des Wortes „nett“ geprägt hat, auf die ich im ersten Absatz dieses Kapitels hingewiesen habe.
    Wie viele andere Politologen, Ökonomen, Mathematiker und Psychologen auch war Axelrod von einem einfachen Glücksspiel fasziniert, das den Namen „Gefangenendilemma“ trägt. Es ist so einfach, daß manche intelligente Leute es völlig mißverstehen, weil sie mehr dahinter vermuten! Aber seine Einfachheit täuscht. Ganze Bibliotheksregale sind den Verzweigungen dieses aufregenden Spiels gewidmet. Viele einflußreiche Leute sind der Ansicht, es sei der Schlüssel zur strategischen Verteidigungsplanung und wir sollten uns eingehend mit ihm befassen, um einen Dritten

Weitere Kostenlose Bücher