Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
ein wenig negativ, aber sie haben auch ihre erfreuliche Seite. Wenn wir einmal sterben, so können wir zwei Dinge hinterlassen: Gene und Meme. Wir sind als Genmaschinen konstruiert, dazu geschaffen, unsere Gene zu vererben. Aber dieser Aspekt von uns wird in drei Generationen vergessen sein. Mein Kind, sogar mein Enkel noch mag mir ähnlich sein, vielleicht in den Gesichtszügen, in einer musikalischen Begabung oder in der Haarfarbe. Aber mit jeder Generation, die vorbeigeht, wird der Beitrag meiner Gene halbiert. Es dauert nicht lange, und er ist so klein geworden, daß man ihn vernachlässigen kann.
    Unsere Gene mögen unsterblich sein, aber die Sammlung   von Genen, die jeder einzelne von uns darstellt, muß zwangsläufig auseinanderbröckeln. Königin Elisabeth von England ist ein direkter Nachfahre von Wilhelm dem Eroberer. Doch es ist ziemlich wahrscheinlich, daß sie nicht ein einziges der Gene des alten Königs in sich trägt. Wir sollten Unsterblichkeit nicht in der Fortpflanzung suchen.
    Doch wenn ich einen Beitrag zur Kultur der Welt leiste, wenn ich einen guten Gedanken habe, eine Melodie komponiere, eine Zündkerze erfinde oder ein Gedicht schreibe, so kann dieser Beitrag noch lange, nachdem meine Gene sich im gemeinsamen Genpool aufgelöst haben, unversehrt weiterleben. Von Sokrates mögen heute, wie G.C. Williams bemerkt hat, vielleicht noch ein oder zwei Gene auf der Welt leben oder auch nicht, aber wen interessiert das schon? Die Memkomplexe von Sokrates, Leonardo da Vinci, Kopernikus und Marconi sind immer noch ungeschwächt.
    So spekulativ meine Mem-Theorie auch sein mag, einen ernstzunehmenden Punkt gibt es, den ich noch einmal unterstreichen möchte: Wenn wir die Evolution kultureller Merkmale und ihren Überlebenswert betrachten, so müssen wir uns darüber im klaren sein, über wessen Überleben wir sprechen.
    Die Biologen sind, wie wir gesehen haben, daran gewöhnt, nach Vorteilen auf der Ebene des Gens (oder auf der Ebene des Individuums, der Gruppe oder der Art, je nach Geschmack) zu suchen. Was wir bisher nicht in Betracht gezogen haben, ist, daß ein kulturelles Merkmal sich einfach deshalb so entwickelt haben mag, wie es sich entwickelt hat, weil es für sich selbst von Nutzen ist.
    Wir brauchen nicht nach herkömmlichen biologischen Überlebenswerten von Merkmalen wie Religion, Musik und rituellem Tanz zu forschen, obwohl diese ebenfalls vorhanden sein mögen. Nachdem die Gene einmal ihre Überlebensmaschinen mit einem Gehirn ausgestattet haben, das zu rascher Imitation fähig ist, werden die Meme automatisch das Ruder übernehmen. Wir brauchen der Imitation nicht einmal einen genetischen Vorteil zuzuschreiben, obwohl dies mit Sicherheit eine Hilfe wäre. Es ist nichts weiter nötig, als daß das Gehirn zur Imitation fähig   ist: Dann werden sich Meme herausbilden, die diese Fähigkeit bis zum äußersten ausnutzen.
    Ich schließe jetzt das Thema der neuen Replikatoren ab und möchte am Ende dieses Kapitels einer gewissen Hoffnung Ausdruck verleihen. Ein Merkmal des Menschen, das einzigartig ist und sich memisch entwickelt haben mag oder auch nicht, ist seine Fähigkeit zu vorausschauendem Denken. Egoistische Gene (und, wenn der Leser die Spekulation dieses Kapitels gestattet, auch Meme) besitzen keine Voraussicht. Sie sind blinde Replikatoren ohne Bewußtsein. Die Tatsache, daß sie sich replizieren, hat in Kombination mit bestimmten anderen Umständen wohl oder übel zur Folge, daß sie dazu neigen, Eigenschaften herauszubilden, die im speziellen Sinne dieses Buches egoistisch genannt werden können. Von einem einfachen Replikator, ob Gen oder Mem, kann man nicht erwarten, daß er auf kurzfristig erreichbare egoistische Vorteile verzichtet, selbst wenn sich dies auf lange Sicht tatsächlich auszahlen würde. Wir haben dies in dem Kapitel über die Aggression gesehen. Auch wenn eine „Verschwörung der Tauben“ für jedes einzelne Individuum   besser wäre als die evolutionär stabile Strategie, kann die natürliche Selektion nicht anders, als die ESS zu begünstigen. Es ist möglich, daß der Mensch über eine weitere einzigartige Eigenschaft verfügt: die Fähigkeit zu echtem, uneigennützigem, aufrichtigem Altruismus. Ich hoffe es, aber ich werde weder dafür noch dagegen argumentieren, und ebensowenig werde ich über die mögliche memische Evolution des Altruismus spekulieren. Entscheidend ist für mich folgendes: Selbst wenn wir die Schattenseite betrachten und davon

Weitere Kostenlose Bücher