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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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um Weibchen konkurrieren. Doch dieses „freiwillige Akzeptieren“ der Regel, daß sich nur Männchen mit hohem Status vermehren dürfen, führt nach Wynne-Edwards’ Ansicht wie im Fall des Territorialverhaltens dazu, daß die Populationen nicht zu schnell wachsen. Statt zu viele Junge zu bekommen und dann durch böse Erfahrungen herauszufinden, daß dies ein Fehler war, benutzen Populationen formale Auseinandersetzungen über Status und Territorium, um ihre Größe knapp unter dem Niveau zu halten, bei dem der Hungertod selbst tatsächlich einen Tribut verlangt.
    Vielleicht die verblüffendste von Wynne-Edwards’ Vorstellungen ist die des epideiktischen   Verhaltens – ein Ausdruck, den er selbst geprägt hat. Viele Tiere bringen beträchtliche Zeit in Scharen, Herden oder Schwärmen zu. Es gibt verschiedene mehr oder weniger vernünftige Vermutungen darüber, aus welchem Grunde die natürliche Auslese ein solches Ansammlungsverhalten gefördert haben mag, und auf einige von ihnen werde ich in Kapitel 10 noch zu sprechen kommen. Wynne-Edwards hat eine ganz eigene Vorstellung entwickelt. Seiner Ansicht nach führen Stare, wenn sie sich abends in riesigen Schwärmen sammeln, oder Mücken, die als Wolke über einem Torpfosten tanzen, eine Volkszählung durch. Da er vermutet, daß die einzelnen Tiere ihre Geburtenrate im Interesse der Gruppe beschränken und, wenn die Populationsdichte hoch ist, weniger Junge bekommen, ist es vernünftig, wenn er annimmt, daß sie eine Möglichkeit zur Messung der Populationsdichte haben müssen – ähnlich wie ein Thermostat als wichtigen Bestandteil seines Mechanismus ein Thermometer braucht.
    Für Wynne-Edwards ist epideiktisches Verhalten ein absichtliches Sammeln, das die Schätzung der Populationsgröße erleichtert. Er meint keine bewußte Schätzung, sondern einen automatischen nervösen oder hormonalen Mechanismus, der in den einzelnen Tieren eine Verbindung zwischen der Sinneswahrnehmung der Populationsdichte und den Reproduktionssystemen herstellt.
    Ich habe, wenn auch in ziemlich knapper Form, WynneEdwards’ Theorie gerecht zu werden versucht. Wenn mir dies gelungen ist, so sollte der Leser jetzt überzeugt sein, daß diese Theorie auf den ersten Blick ziemlich einleuchtend erscheint.
    Aber die vorangegangenen Kapitel dieses Buches müßten ihn skeptisch gestimmt haben, und zwar derart skeptisch, daß er sagt: So einleuchtend die Theorie auch klingen mag, die Beweise für sie müssen gut sein, andernfalls ... Und bedauerlicherweise sind die Beweise nicht gut. Sie bestehen aus einer langen Reihe von Beispielen, die zwar auf Wynne-Edwards’ Art interpretiert werden können, die sich aber ebensogut im Sinne der konventionellen Theorie vom „egoistischen Gen“ interpretieren lassen.
    Der Haupturheber der Genegoismus-Theorie der Familienplanung – wenn er auch niemals diese Bezeichnung benutzt hätte – war der große Ökologe David Lack. Er beschäftigte sich vor allem mit der Gelegegröße bei freilebenden Vögeln, doch seine Theorien und Schlußfolgerungen haben den Vorteil, allgemein anwendbar zu sein. Jede Vogelart hat eine typische Gelegegröße. Beispielsweise brüten Baßtölpel und Trottellummen jeweils ein Ei aus, Mauersegler drei, Kohlmeisen ein halbes Dutzend oder mehr. Dabei gibt es Variationen: Manche Mauersegler legen nur zwei Eier, Kohlmeisen bis zu zwölf. Es ist eine vernünftige Annahme, daß die Zahl der Eier, die ein Weibchen legt und ausbrütet, zumindest zum Teil genetisch kontrolliert ist, wie jedes andere Merkmal auch. Das heißt, es gibt vielleicht ein Gen für das Legen von zwei Eiern, ein rivalisierendes Allel für drei Eier, ein weiteres Allel für vier und so weiter, wenn es auch in der Realität nicht ganz so einfach sein dürfte. Nun verlangt die Theorie des egoistischen Gens, daß wir fragen, welches dieser Allele im Genpool zahlreicher werden wird. Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, das Gen für das Legen von vier Eiern müsse gegenüber den Genen für das Legen von dreien oder zweien im Vorteil sein.
    Eine kurze Überlegung zeigt jedoch, daß diese einfache Vorstellung von „Je-mehr-desto-besser“ nicht richtig sein kann.
    Sie führt zu der Schlußfolgerung, daß fünf Eier besser sein müßten als vier, zehn noch besser, hundert wiederum besser und unendlich viele am allerbesten. Mit anderen Worten: Diese Logik führt zu einem absurden Ergebnis. Es liegt auf der Hand, daß das Legen einer großen Eierzahl nicht nur

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