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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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was die einzelnen Menschen eigentlich tun sollten. Die Menschheit produziert zu viele Kinder. Die Bevölkerungsgröße hängt von vier Faktoren ab: Geburten, Todesfällen, Einwanderungen und Auswanderungen. Wenn wir die Weltbevölkerung als Ganzes betrachten, so finden keine Immigrationen und Emigrationen statt, es bleiben also nur Geburten und Todesfälle. Solange jedes Paar im Durchschnitt mehr als zwei überlebende und sich fortpflanzende Nachkommen hat, wird die Geburtenziffer von Jahr zu Jahr mit ständig wachsender Geschwindigkeit zunehmen. In jeder Generation wächst die Bevölkerung nicht um einen festen Betrag, sondern um etwas, das mehr einem festen Anteil des Umfangs ähnelt, den sie bereits erreicht hat. Da dieser Umfang selbst zunimmt, wird auch der Zuwachs größer. Eine Population, in der diese Art des Wachstums sich unkontrolliert fortsetzen könnte, würde verblüffend schnell astronomische Ausmaße erreichen.
    Nebenbei gesagt ist gelegentlich nicht einmal denjenigen, die sich um Bevölkerungsprobleme Sorgen machen, klar, daß das Bevölkerungswachstum ebenso davon abhängig ist, wann   ein Mensch Kinder bekommt, wie davon, wie viele er bekommt. Da die Populationsgröße gewöhnlich um einen bestimmten Anteil pro Generation   zunimmt, ist der jährliche Bevölkerungszuwachs geringer, wenn man die Generationsdauer verlängert. Auf Spruchbänder könnte man statt „Hör auf bei zwei!“ ebensogut „Fang an mit 30!“ schreiben. In jedem Fall jedoch bedeutet die Beschleunigung des Bevölkerungswachstums ernstliche Schwierigkeiten.
    Wir haben wahrscheinlich alle bereits Beispiele der alarmierenden Berechnungen gesehen, die dies veranschaulichen. Beispielsweise beläuft sich die gegenwärtige Bevölkerung Lateinamerikas auf rund 300 Millionen Menschen, und viele von ihnen sind bereits unterernährt. Würde die Bevölkerung mit der gegenwärtigen Rate weiterwachsen, so wäre in weniger als 500 Jahren der Punkt erreicht, an dem die Menschen dichtgedrängt nebeneinanderstehend einen zusammenhängenden, die ganze Fläche des Kontinents bedeckenden Menschenteppich bilden würden. Dies gilt auch dann, wenn wir annehmen, daß sie nur Haut und Knochen wären – eine nicht unrealistische Annahme. In 1000 Jahren würden sie sich in mehr als einer Million Schichten übereinander gegenseitig auf den Schultern stehen. In 2000 Jahren hätte der mit Lichtgeschwindigkeit in die Höhe wachsende Menschenberg den Rand des bekannten Universums erreicht.
    Es wird dem Leser nicht entgangen sein, daß dies eine hypothetische Berechnung ist! In Wirklichkeit wird es nicht so kommen, und zwar aus zwingenden praktischen Gründen.
    Einige dieser Gründe heißen Hungersnot, Seuchen und Krieg oder,   wenn wir Glück haben, Geburtenkontrolle. Es hat keinen Zweck, sich auf Fortschritte in der Landwirtschaft zu berufen – auf „grüne Revolutionen“ und dergleichen. Steigerungen in der Nahrungsmittelproduktion mögen das Problem zwar vorübergehend mildern, doch es ist mathematisch sicher, daß sie auf lange Sicht keine Lösung sein können; tatsächlich könnten sie, wie die Fortschritte in der Medizin, welche die Krise beschleunigt haben, die Situation sogar verschärfen, indem sie das Bevölkerungswachstum beschleunigen. Es ist eine einfache logische Wahrheit, daß – ohne eine Massenemigration in den Weltraum, bei der mehrere Millionen Menschen pro Sekunde die Erde mit Raketen verlassen – unkontrollierte Geburtenraten unweigerlich zu schrecklich erhöhten Sterberaten führen müssen. Es fällt schwer zu glauben, daß diese einfache Wahrheit nicht von jenen Führern begriffen wird, die ihren Anhängern die Verwendung wirksamer Methoden zur Empfängnisverhütung verbieten. Sie zeigen eine Vorliebe für „natürliche“ Methoden der Bevölkerungskontrolle, und eine natürliche Methode ist genau das, was sie bekommen werden.
    Sie heißt Hungertod.
    Aber natürlich beruht die Beklommenheit, die solche langfristigen Berechnungen hervorrufen, auf der Sorge um das zukünftige Wohlergehen unserer Spezies insgesamt. Menschen (einige von ihnen) sind in der Lage, vorausschauend zu denken und die katastrophalen Folgen der Überbevölkerung vorherzusehen. Die grundlegende Annahme des vorliegenden Buches ist, daß Überlebensmaschinen im allgemeinen von egoistischen Genen gelenkt werden, und von diesen kann man ganz gewiß weder erwarten, daß sie in die Zukunft blicken, noch, daß ihnen das Wohl der gesamten Spezies am Herzen liegt.

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