Das einsame Haus
war mir das...«
»Verzeihung, wenn ich nochmals unterbreche: hat Anna etwas von Ihren... Ihren Racheplänen gewußt?«
»Natürlich nicht. Sie wäre...«
Sie brach ab, und es war erschreckend, wie ihr schönes Gesicht plötzlich verfiel. Tiefe Falten gruben sich um ihren Mund, der Blick ihrer Augen wurde müde, abwesend und gehetzt. Plötzlich fuhr sie mich an:
»Wären Sie nur nicht dazwischengekommen! Niemand auf der Welt hätte jemals herausgefunden, daß ich es war, die Walther Möhnert vergiftet hat! Niemand hätte...«
»Antonia! Sie wissen nicht, was Sie da sagen!« Ich war fassungslos und spürte, wie meine Hände zitterten. »Frau van Straaten! Sie haben doch keinen Mord begangen!«
Langsam wandte sie mir den Kopf zu, ihr Blick ging durch mich hindurch, als sei ich nicht vorhanden.
»Mord?« murmelte sie und schüttelte den Kopf. »Mord? Ich habe mich genau unterrichtet. Der Paragraph 211 heißt: Mörder ist, wer aus Mordlust, aus Habgier oder aus sonst niedrigen Beweggründen einen anderen Menschen tötet! — Ich habe weder aus Mordlust noch aus gemeinen Gründen gehandelt, ich habe nur einen Mörder, den die Gesetze nicht hätten fassen und bestrafen können, zur Rechenschaft gezogen. Und ich war bereit, sofort dafür einzustehen, ich wollte mich unmitelbar danach der Polizei stellen.«
Ich stand auf und holte aus dem Wandschrank eine Flasche Cognac und zwei Gläser. Ich schenkte ein, schob ihr ein Glas zu und sagte:
»Damit muß ich erst fertig werden. Ich hätte meine Hand für Sie ins Feuer gelegt.« Und plötzlich kam mir meine schiefe Lage voll zu Bewußtsein. »Verdammt noch mal, weshalb haben Sie sich dann nicht sofort gestellt? Weshalb mußte erst fröhlich weiter gemordet werden, einer nach dem anderen? Sie sind doch eine geborene Hilbinger, warum mußte auch Anna Hilbinger, Ihre Mutter, ins Gras beißen? Warum mußte Vera Möhnert sterben? Warum mußte Freddy Todesängste ausstehen, seine geliebte Anna könnte eine Mörderin sein, und warum mußte Ihre Tochter erst glauben, Freddy Möhnert habe seinen Vater umgebracht? Warum das alles? Sogar einen kleinen, unschuldigen Hund mußte dieser Schurke umbringen, nur damit er Verwirrung stiften konnte, und aus Angst, dieses Tier könne zufällig seine Bekanntschaft mit der Hilbinger verraten. Warum besorgen Sie sich kaltblütig Gift, studieren eiskalt den Paragraphen 211, und nun hocken Sie da wie ein Häufchen Elend und jammern, Sie hätten sich der Polizei stellen wollen. Weshalb, zum Teufel, haben Sie es denn nicht getan?«
Ihre Hand griff mechanisch nach dem Glas, hob es hoch und stellte es wieder leise auf den Tisch.
»Weil Sie dazwischengekommen sind, Herr Brenthuisen. Ich wollte ins Dorf hinübergehen und die Polizei verständigen. Plötzlich hörte ich draußen Ihren Wagen, ich verlor den Kopf, rannte durch die Küche hinaus und fuhr wie in einer Narkose mit Ihrem Wagen davon. Aber schon wenige hundert Meter weiter holte mich Buchinger ein. Er schnitt mich, zwang mich, zu halten und sagte mir, er habe die ganze Zeit über im Walde aufgepaßt, daß nichts dazwischenkomme. Er sagte mir, ich solle mit seinem Wagen nach Hause fahren und mich still verhalten. Ich tat, was er sagte.«
»Sie sind mit seinem Wagen weitergefahren? Nach Solln, in seine Wohnung?«
Sie nickte.
»Ja. Ich rechnete damit, daß die Polizei kommen und mich holen würde, denn ich wußte ja, daß irgend jemand den Toten gefunden haben mußte.«
»Dann war es Buchinger, der mit meinem Wagen zurückkam, den Toten abholte und ihn in dessen Wagen irgendwo auf einem Waldweg im Hofoldinger Forst abstellte?«
»Ja. Er sagte es mir, als er kam. Und er sagte mir, nun sei alles noch viel besser gegangen, als wir hoffen konnten: man würde den toten Möhnert im Wald in seinem Wagen finden, an einen Herzschlag glauben, und damit sei die ganze Sache erledigt. Er überzeugte mich davon, wie sinnlos es sei, wenn ich mich jetzt noch stellte, wenn ich... er sagte, ich solle an Anna denken und daran, daß es für den jungen Möhnert kaum möglich sein würde, die Tochter der Frau zu heiraten, die seinen Vater vergiftet hatte.«
»Alles schön und gut«, sagte ich kalt. »Das klingt ganz rührend. Aber warum haben Sie Vera Möhnert ein Telegramm geschickt: Ihr Mann hat seine letzte Rechnung bezahlt ? Und weshalb haben Sie mich angerufen, in der Nacht vom Freitag auf Samstag, ich solle nicht weiter nachforschen?«
Sie überlegte eine Weile, dann sagte sie:
»Ja, ich habe Sie
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