Das einsame Haus
geflüchtet, warum sind Sie noch mal hierher gekommen? Was haben Sie hier gesucht?«
Sie schaute sich mit klaren Augen langsam um.
»Was ich hier gesucht habe? Ein paar unendlich glückliche Stunden mit meinem Mann. Wir waren hier, ehe Anna geboren wurde... jetzt ist alles aus.«
Sie ging hinaus, ich hörte Wendlandts Stimme, und ich war unfähig, ihm auch nur einen Schritt entgegenzugehen.
Vielleicht versteht man jetzt, warum ich mich weigerte, als Berichterstatter den Mordprozeß gegen Antonia Paola van Straaten mitzumachen. Im Gegenteil, ich nahm Urlaub, und am Tage der ersten Verhandlung fuhr ich mit Cornelia in südlicher Richtung, den Bergen entgegen. Der Ehering an meiner rechten Hand war mir noch ungewohnt.
»Eigentlich«, sagte ich, »bist du an allem schuld. Du wolltest unbedingt dieses hübsche, einsame Haus mieten. Bist du jetzt noch scharf drauf? Ich bin überzeugt, Freddy ließe wegen des Mietpreises mit sich reden.«
Ich bekam einen beachtlichen Rippenstoß.
»Niemals könnte ich da drin wohnen.« Sie kramte in ihrer Handtasche, zog einen Brief heraus und faltete ihn auseinander. »Den hätte ich beinahe vergessen vor lauter Kofferpacken, Blumengießen und Milch abbestellen. Er ist von Anna und Freddy. Willst du hören, was sie schreiben?«
»Ich... ich weiß nicht. Ich will eigentlich gar nichts mehr hören, was mich... na, lies ihn schon vor.«
Ihr zwei Lieben,
viel Schönes auf der Hochzeitsreise! Wir haben einen Baumeister damit beauftragt, den Hilbinger-Hof herzurichten, ein neues Bad und WC einzubauen und aus dem Stall eine Garage für zwei Wagen zu machen. Wenn ihr lange genug fortbleibt, kann alles fertig sein, bis ihr wieder zurück seid. Und wenn ihr Lust habt, könnt ihr einziehen. Alles Liebe und Gute.
Anna und Freddy.
Sie faltete den Brief wieder zusammen, steckte ihn weg und schaute mich von der Seite an.
»Gestern hat Anna die kleine Veronika zu sich geholt. Sie wollen das Kind behalten. Fein, was? Daß die beiden so fest zusammenstehen und neu anfangen werden?«
Ich nahm das Gas weg, fuhr an den Straßenrand und hielt. Und ich küßte meine Frau, wobei mir war, als hörte ich den Trauschein in meiner Tasche knistern.
»Nelly, Liebling, wie kannst du nur einen Menschen lieben, der am laufenden Band so idiotische Fehler gemacht hat?«
»Wieso?« fragte sie harmlos. »Es war doch kein Fehler von dir, mich zu heiraten?«
»Das meine ich nicht, ich meine...«
Sie preßte mir ihre kleine, duftende Hand auf die Lippen.
»Still, nichts mehr davon. Außerdem hatte ich, sobald ich erwachsen war, meine eigene Theorie über eine glückliche Ehe.«
»Und darf man die erfahren?«
»Gern, Liebling. Eine Frau sollte nur einen Mann heiraten, der ein klein wenig dümmer ist als sie.«
Aber alle Blödelei konnte uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir nur versuchten, einem Schatten zu entrinnen, der uns verfolgte. Dem Schatten einer unglücklichen Frau...
ENDE
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