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Das einzige Kind

Das einzige Kind

Titel: Das einzige Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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kann zehn Minuten vor oder nach gewesen sein. Sie glaubt nicht, daß sie mehr als eine Viertelstunde gebraucht hat, um den Tatort zu erreichen. Vassbunn war sehr aufgeregt, und die Polizei mußte ihn zum Notarzt bringen. Schluß aus. Kein Wort davon, daß die Polizei bei Ihrem Eintreffen noch nicht hier war.«
    »Aber ich habe es ganz bestimmt gesagt«, beharrte sie.
    »Warum hätte ich es nicht sagen sollen?«
    Billy T. rieb sich den Schädel. Er mußte sich rasieren. Es piekste und juckte auch ein bißchen. Er wußte, daß sie wahrscheinlich die Wahrheit sagte. Das Protokoll teilte zwar nicht mit, daß sie vor der Polizei hier gewesen war, es behauptete aber auch nicht das Gegenteil. Tone-Marit war gut, aber offenbar konnten ihr immer noch Fehler unterlaufen.
    Das Telefon piepste. Beide fuhren zusammen.
    »Billy T.«, kläffte er in die Sprechmuschel, er war wütend über die Störung. Er wurde noch wütender, als Tone-Marit sich meldete.
    »Tut mir leid, Billy«, sagte sie. »Aber ich …«
    »Billy T., Billy T. habe ich gesagt. Schon hundertmal!«
    Er wandte sich ab, und Maren Kalsvik hob die Augenbrauen 231
    und zeigte auf die Tür. Er nickte leicht verlegen, aber sie schien sich über diese Pause zu freuen. Vorsichtig schloß sie die Tür hinter sich, und er war allein.
    »Was ist los?«
    »Wir wissen jetzt, wer der Scheckbetrüger ist.«
    Er sagte nichts. Eine Wasserleitung rauschte, und er nahm an, daß Maren Kalsvik in der Küche nebenan Kaffee machte.
    Vielleicht stimmte ja auch mit seinen Ohren etwas nicht.
    »Hallo? Hallo!«
    »Ja, hier bin ich«, sagte er. »Und wer ist es?«
    »Der Liebhaber. Die Videos zeigen das klar und deutlich, obwohl er sich einen Schnurrbart angeklebt hatte.«
    Hannes Kneipentheorie zerkrümelte. Aber das war nicht weiter schlimm.
    »Und noch etwas«, sagte Tone-Marit und war durch das Rauschen der Wasserleitung fast nicht mehr zu hören.
    »Hallo? Bist du noch da?«
    »Ja«, rief er. »Hallo?«
    »Der Liebhaber ist verschwunden. Er war seit zwei Tagen nicht mehr im Geschäft, hat aber auch keine Krankmeldung oder so geschickt. Und den Kumpel, mit dem er am Mordabend in Drøbak zusammengewesen sein will, können wir nicht finden.«
    Das Rauschen wurde immer schlimmer. Jetzt wußte er wirklich nicht mehr, ob es aus der Wasserleitung, dem Telefon oder seinem eigenen Kopf kam.
    »Hallo?«
    »Ja, ich bin hier!« rief er gereizt. »Stellt fest, wo der Typ sich herumtreibt. Macht nichts anderes. Kapiert? Nichts! Stellt einfach nur fest, wo er ist. Ich bin in zwanzig Minuten bei euch.«
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    Er klappte das Telefon zusammen, streifte seine Jacke über und konnte sich kaum von Maren Kalsvik verabschieden, die mit einer Kaffeekanne in der einen und zwei Tassen in der anderen Hand auftauchte und ihm verdutzt nachschaute.
    Das Tonbandgerät hatte Billy T. natürlich vergessen.

    Hanne wußte schon gar nicht mehr, wann sie zuletzt so gut geschlafen hatte. Trotzdem war sie todmüde. Erst nach einigen Sekunden fiel ihr ein, welcher Tag es war. Sie weigerte sich, sich diesem Tag zu stellen. Sicherheitshalber überprüfte sie, ob sie nicht vielleicht Halsschmerzen hätte. Oder Magenschmerzen.
    Wenn sie sich das genau überlegte, dann war da doch irgendwo hinten im Kreuz ein leises Ziehen. Aber das kündigte nur die Menstruation an. Sie quälte sich unter der Decke hervor. Und fluchte los, als sie sah, daß es nach halb elf war.
    Cecilie war schon gegangen. In der Küche war der
    Frühstückstisch gedeckt, mit Messer und Gabel, Serviette und dem schönsten Service. Auf dem Teller lag ein liebevoller Zettel, der einen guten Tag wünschte. Das machte die Sache immerhin ein bißchen besser.
    Die Sozialschule der Diakonie lag logischerweise am Ende des Diakonvei, der beim Verteilerkreis von Volvat anfing und auf einem großen Parkplatz endete. Die Schule stand einzeln, auf einer kleinen Anhöhe, war jedoch ein architektonisches Flickwerk. Die Eingangspartie war in den Winkel zwischen einem zweistöckigen Anbau und einem großen gelben Klotz unbestimmbaren Alters gequetscht.
    »Genauso unfreundlich wie das Polizeigebäude«, murmelte Hanne Wilhelmsen, als die dreißig Meter vom Parkplatz dorthin hinter ihr lagen und sie durch doppelte Glastüren die Schule betrat.
    Ein schwarzes Brett auf der rechten Seite lud zum
    Volksmusikabend am Samstag ein, und Hanne schauderte es.
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    Drei Studentinnen oder vielleicht auch Dozentinnen kamen eine kleine Betontreppe herunter. Gerade wollte Hanne die drei nach

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