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Das einzige Kind

Das einzige Kind

Titel: Das einzige Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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noch aus, und er nahm nicht an, daß sie die auf den nächsten Tag verlegen könnten. Jedenfalls nicht, wenn er und Tone-Marit sie allein durchziehen sollten.
    Die Götter mochten wissen, womit Hanne und Billy T.
    eigentlich ihre Zeit verbrachten. Nicht, daß er sie der Drückebergerei bezichtigen wollte. Aber es wäre doch nett gewesen zu wissen, was sie so trieben. Im Büro ließen sie sich nicht gerade oft sehen, und Billy T., der doch eigentlich für die Verhöre zuständig war, war meistens nicht zu finden. Ab und zu 222
    hatte Erik Henriksen das Gefühl, gar nicht so richtig dazuzugehören. So, als hätten die anderen kein richtiges Vertrauen zu ihm. Und das war nicht gerade die große Inspiration. Ab und zu empfand er sogar eine leise bohrende Irritation, fast schon Wut, die sich gegen Hanne Wilhelmsen richtete. Das war eine ganz neue Regung, und er wußte nicht so recht, wie er damit umgehen sollte.
    Er ließ den Kopf hin und her kippen und spürte, wie seine Nackenmuskulatur sich verspannte. Er war müde schlecht aufgelegt und hatte alles satt. Und jetzt wollte er nach Hause.
    Tone-Mark stand in der Tür. Sie sagte nichts, sie lächelte nur.
    Sie war ganz normal. Ziemlich nett. Ihr Gesicht war kreisrund, obwohl sie doch schlank war. Ihre Augen waren schräg und schmal, wenn sie lächelte, verschwanden sie ganz. Ihre Haarfarbe änderte sich ab und zu; in dem Jahr, seit er sie kennengelernt hatte, war sie von Blond über Kupferrot zum jetzigen Dunkelbraun gewandert. Er wußte nicht, ob ihre Locken echt oder ebenfalls gekauft waren.
    Sie redete zumeist nicht viel. Er wußte auch kaum etwas über sie. Aber nun stand sie hier, und es war später Nachmittag. Billy T. war über alle Berge. Hanne Wilhelmsen war ein
    aussichtsloser Fall. Tone-Marit stand in der Tür und lächelte.
    »Wollen wir ins Kino gehen?« fragte er, ohne nachzudenken, und sie sah nicht einmal überrascht aus.
    »Gern«, sagte sie. »In welchen Film denn?«
    »Mir egal«, sagte er und fühlte sich schon weniger erschöpft.
    Sie spazierten in die Innenstadt. Es war zu spät für die Vorstellung um sieben, und bis zu der um neun hatten sie noch jede Menge Zeit.
    Tone-Marit hatte einen schönen Gang. Einen entschlossenen aufrechten Gang mit einem leisen femininen Hüftschwung, der bei ihr nicht albern wirkte. Sie hielt den Kopf hocherhoben und 223
    war fast so groß wie er mit seinen eins zweiundachtzig. Sie trug eine kurze lederne Fliegerjacke über hautengen Jeans, unter denen ziemlich spitze Schnürstiefel hervorlugten. Auch jetzt sagte sie nicht viel, aber das machte nichts.
    Nach einer halben Stunde hatten sie das Klingenberg-Kino erreicht. Inzwischen hatte er erfahren, wo sie wohnte und daß sie dort allein wohnte. Außerdem spielte sie Fußball in der Oberliga, ging fünfmal pro Woche zum Training und hatte schon sechs Länderspiele hinter sich. Er war ausgesprochen beeindruckt und überrascht, daß er von all dem nichts gewußt hatte.
    Als sie die gläsernen Schaukästen im Kinofoyer umrundeten, erblickte er Hanne Wilhelmsen. Ihn überkam das alte Gefühl, daß sein Herz ein wenig schneller schlug, aber zum erstenmal mischte sich auch etwas Negatives, fast Deprimierendes darunter, die Wut, die er nicht ganz abschütteln konnte. Er ging langsamer, fuhr sich über sein sommersprossiges Gesicht und spielte mit dem Gedanken, lieber zum Saga-Kino zu wechseln.
    Aber sie hatten sich doch schon einen Film ausgesucht.
    Hanne Wilhelmsen zupfte an ihrer Eintrittskarte herum und unterhielt sich mit drei anderen Frauen. Zwei hatten kurze Haare und sahen einander ziemlich ähnlich, die eine trug einen alten Anorak, die andere eine graubraune, formlose Jacke und Schaftstiefel. Beide hatten altmodische Intellektuellenbrillen.
    Die Dritte war ganz anders. Sie hatte halblange blonde Haare und war fast so groß wie Hanne. Unter einem offenen langen Mantel aus irgendeinem dünnen Stoff, der teuer aussah, trug sie ein tiefrotes durchgeknöpftes Kleid. Die beiden obersten Knöpfe waren offen, den Kragen hatte sie hochgeklappt. Jetzt legte sie den Kopf in den Nacken und lachte über eine Bemerkung der einen Kurzgeschorenen. Hanne, die halb zu Erik und Tone-Mark gewandt dastand, stupste ihre Schulter an und lächelte auf eine Weise, wie er es bei ihr noch nie erlebt hatte. Ihr Gesicht war so 224
    offen, sie wirkte jünger, fröhlicher, irgendwie nicht so kontrolliert.
    Plötzlich sah sie ihn.
    Erik war hier. Und Tone-Marit. Das war ihr natürlich schon oft

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