Das Ekel von Säffle
schreiben. Beamte in Zivil vom fünften Dezernat waren durch die angrenzenden Krankenzimmer und Krankensäle gegangen, aber sie hatten nichts Nennenswertes herausgefunden.
Wenn Martin Beck etwas Spezielles von Rönn erfahren wollte, mußte er fragen und sich außerdem klar und unmißverständlich ausdrücken.
Tatsache war ganz einfach, daß ihre Zusammenarbeit nicht klappte.
Beide wußten das seit langem und versuchten daher Situationen zu umgehen, in denen sie beide ausschließlich aufeinander angewiesen waren.
Martin Beck schätzte Rönn nicht besonders hoch ein. Rönn wußte das sehr genau und hatte deswegen Minderwertigkeitskomplexe. Andererseits faßte Martin Beck seine Schwierigkeit, einen besseren Kontakt zu Rönn zu bekommen, als Beweis für eigene Schwächen auf und war dadurch unwillkürlich gehemmt.
Rönn hatte die gute alte Tasche mit dem Handwerkszeug eines Detektivs herangeholt, eine Reihe von Fingerabdrücken gesichert, Schutzfolien aus Plastik über die Spuren auf dem Boden des Zimmers und am Erdboden vordem Fenster legen lassen und dadurch dafür gesorgt, daß Details, die später vielleicht von Wichtigkeit sein würden, nicht versehentlich oder durch Unachtsamkeit zerstört wurden. Hauptsächlich handelte es sich um Fußabdrücke.
Martin Beck war wie häufig um diese Jahreszeit erkältet. Er schniefte, putzte sich die Nase und hustete lange und hart, aber Rönn reagierte nicht. Sagte nicht mal »Gesundheit«. Dieses kleine Zeichen der Höflichkeit war ihm offenbar nicht anerzogen worden, oder das Wort fehlte in seinem Sprachschatz. Und wenn er sich Gedanken über Martin Becks Zustand machte, so sprach er sie jedenfalls nicht aus.
Nichts verstand sich von selbst zwischen diesen beiden Männern, alles mußte ausgesprochen werden. Nach einer Weile fragte Martin Beck:
»Sieht diese Abteilung nicht ein bißchen veraltet aus?«
»Ja«, antwortete Rönn, »die soll übermorgen geräumt werden. Dann wird sie renoviert und für was anderes hergerichtet. Die Patienten ziehen in neue Räume im Hauptgebäude um.« Damit ging er hinaus.
Martin Beck ließ den Gedanken fallen und konzentrierte sich auf andere Dinge. Kurze Zeit später sagte er leise und mehr zu sich selbst: »Ich bin gespannt, welche Waffe er benutzt hat. Vielleicht eine Machete oder ein Samuraischwert.«
»Keins von beiden«, gab Rönn, der gerade das Zimmer betrat, zur Antwort. »Wir haben die Tatwaffe gefunden. Da draußen liegt sie, vier Meter vom Fenster entfernt.« Sie gingen hinaus.
Im kalten Licht eines Suchscheinwerfers lag ein Mordwerkzeug mit breiter Klinge.
»Ein Seitengewehr«, stellte Martin Beck fest.
»Ja, paßt auf ein Mausergewehr.« Der Sechs-Millimeter-Karabiner war eine typische Militärwaffe. Damit wurden früher hauptsächlich die Artillerie und die Kavallerie ausgerüstet. Das Modell wurde seit längerem schon nicht mehr hergestellt und war wahrscheinlich aus den Bestandslisten gestrichen.
Die Schneide war vollständig mit geronnenem Blut bedeckt.
»Kann man auf dem geriffelten Handgriff Fingerabdrücke sichern?« Rönn zuckte die Achseln.
Jedes Wort mußte man ihm aus der Nase ziehen, wenn schon nicht mit der Zange, so doch mit verbalem Druck.
»Du läßt es da liegen, bis es hell wird?«
»Ja«, bestätigte Rönn, »ist wohl das Beste so.«
»Ich halte es für richtig, so schnell wie möglich mit Nymans Familie zu reden. Meinst du, daß man die Frau um diese Tageszeit aus dem Bett holen kann?«
»Na ja, kann man wohl machen«, meinte Rönn ohne Überzeugung.
»Irgendwo müssen wir schließlich anfangen. Kommst du mit?« Rönn murmelte etwas vor sich hin.
»Was hast du gesagt?« fragte Martin Beck und schnaubte sich die Nase.
»Muß noch `n Fotografen herbestellen«, wiederholte Rönn lauter. Er schien keine besondere Lust zu haben.
Rönn ging als erster hinaus zum Auto, setzte sich hinters Lenkrad und wartete auf Martin Beck, der die wenig schöne Aufgabe übernommen hatte, die Witwe anzurufen.
»Was hast du ihr erzählt?« fragte er, als Martin Beck sich neben ihn setzte.
»Nur daß er tot ist. Er war offenbar schwer krank, so daß diese Nachricht nicht ganz unerwartet kam. Aber jetzt wundert sie sich natürlich, was wir mit der Sache zu tun haben.«
»Was machte sie denn für einen Eindruck? War sie schockiert?«
»Ja klar. Sie wollte unbedingt ein Taxi rufen und sofort zum Krankenhaus kommen. Jetzt spricht ein Arzt mit ihr. Ich hoffe nur, daß er sie dazu überreden kann, zu Hause auf uns
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