Das Ekel von Säffle
Platz«, sagte sie und setzte sich selbst in einen der Sessel.
Als die beiden Beamten sich ebenfalls niedergelassen hatten, blickte sie voller Verzweiflung vom einen zum ändern.
»Was ist nun eigentlich passiert?« fragte sie viel zu laut und schrill.
Rönn zog sein Taschentuch heraus und putzte sich die Nase, lange und umständlich. Mit Hilfe von seiner Seite hatte Martin Beck auch kaum gerechnet.
»Wenn Sie ein Beruhigungsmittel im Haus haben, Tabletten oder etwas dergleichen, sollten Sie jetzt ein paar davon nehmen«, begann er.
Der Junge, der sich auf den Klavierhocker gesetzt hatte, stand auf. »Papa hat… im Badeschrank steht eine Flasche mit Restenil. Soll ich die holen?« Martin Beck nickte, und der Junge ging hinaus ins Bad und kam kurz darauf mit den Tabletten und einem Glas Wasser zurück. Martin Beck sah sich das Etikett an, schüttelte zwei Tabletten in den Deckel und Fru Nyman nahm sie folgsam und spülte sie mit einem Schluck Wasser hinunter.
»Danke. Wollen Sie nun so freundlich sein und mir erzählen, was Sie eigentlich von mir wollen. Stig ist tot, und weder Sie noch ich können etwas dagegen tun.« Sie preßte das Taschentuch gegen den Mund und fuhr mit erstickter Stimme fort: »Warum durfte ich nicht zu ihm? Schließlich ist er mein Mann. Was haben sie in dem Krankenhaus mit ihm gemacht? Der Arzt vorhin… es hörte sich so geheimnisvoll an…« Der Sohn ging zu ihr hin und setzte sich auf die Lehne ihres Sessels. Er legte den Arm um ihre Schultern.
Martin Beck rückte seinen Sessel so hin, daß er ihr direkt gegenüber saß blickte kurz zu Rönn hinüber, der regungslos auf dem Sofa saß, und be gann:
»Fru Nyman, Ihr Mann ist nicht an seiner Krankheit gestorben. Jemand hat sich in sein Zimmer geschlichen und ihn getötet.« Die Frau starrte ihn an, und er sah an ihrem Gesichtsausdruck, daß es einige Sekunden dauerte, bis sie die Bedeutung des Gesagten begriffen hatte. Die Hand mit dem Taschentuch sank auf ihre Brust. Sie war jetzt sehr bleich.
»Getötet? Jemand hat ihn getötet? Das versteh ich nicht…« Auch das Gesicht des Sohnes war jetzt weiß geworden, und der Griff um die Schulter der Mutter wurde fester.
»Wer?« fragte er.
»Wir wissen es nicht. Eine Hilfsschwester hat ihn kurz nach zwei auf dem Boden seines Krankenzimmers gefunden. Jemand ist durch das Fenster eingestiegen und hat ihn mit einem Seitengewehr umgebracht. Das Ganze kann nur wenige Sekunden gedauert haben, und ich glaube nicht, daß er noch gemerkt hat, was eigentlich passiert ist.« Erklärte Martin Beck. Der Trostspender.
»Alle Umstände deuten darauf hin, daß er überrumpelt worden ist«, ergänzte Rönn. »Wenn er hätte reagieren können, hätte er sicher versucht, sich zu verteidigen oder sich zu wehren, aber dafür gibt es keinerlei Anzeichen.« Die Frau starrte jetzt Rönn an. »Aber warum?«
»Wir wissen es nicht«, sagte er. Weiter nichts.
»Sie können uns vielleicht helfen, das herauszubekommen, Fru Nyman«, begann Martin Beck erneut. »Wir wollen Sie nicht mehr als nötig belästigen, aber wir müssen Ihnen einige Fragen stellen. Vor allen Dingen: Haben Sie eine Ahnung, wer das getan haben könnte?« Die Frau schüttelte hilflos den Kopf.
»Wissen Sie, ob Ihr Mann Drohbriefe erhalten hat? Oder ob es jemanden gibt, der Grund hat, ihn lieber tot als lebendig zu sehen? Jemand, der ihn bedrohte?« Sie schüttelte immer noch den Kopf. »Nein. Warum sollte ihn denn jemand bedrohen?«
»Jemand, der ihn gehaßt hat?«
»Warum sollte ihn jemand gehaßt haben?«
»Denken Sie mal nach«, fuhr Martin Beck fort. »Gibt es keinen, der siel: von ihm schlecht behandelt fühlte? Er war Polizeibeamter, und es gehört zv unserem Beruf, daß man sich Feinde schafft. Hat Ihr Mann niemals erzählt daß jemand sich an ihm rächen wollte oder ihn bedroht hat?« Die Witwe blickte verwirrt erst auf ihren Sohn, dann auf Rönn und dam wieder auf Martin Beck. »Nicht daß ich wüßte. Und wenn er so was ges hätte, würden ich mich sicher daran erinnern.«
»Papa hat zu Hause nie viel von seiner Arbeit erzählt«, mischte sich Stefan ein. »Nach solchen Sachen fragen Sie am besten auf der Wache.«
»Das werden wir natürlich auch tun«, entgegnete Martin Beck. »Wie lange ist er denn krank gewesen?«
»Lange Zeit, genau weiß ich das gar nicht mehr.« Der Sohn blickte auf seine Mutter hinunter.
»Seit Juni letzten Jahres. Er wurde kurz vor Mittsommer krank, bekam furchtbare Magenschmerzen und ging gleich nach
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