Das Ekel von Säffle
dem Feiertag zum Arzt. Der hielt es für ein Magengeschwür und schrieb ihn krank. Seitdem ist er die ganze Zeit krank gewesen. Er war bei verschiedenen Ärzten, jeder sagte etwas anderes und verschrieb ihm andere Medikamente. Vor drei Wochen ist er dann ins Krankenhaus gekommen, sie haben ihn immer wieder untersucht, aber nicht feststellen können, was er nun eigentlich hatte.« Das Erzählen schien ihre Gedanken abzulenken und ihr zu helfen, den Schock zu unterdrücken.
»Papa hat gelaubt, daß es Krebs ist«, ergänzte der Junge. »Aber die Ärzte haben gesagt, das wäre es nicht. Es ging ihm die ganze Zeit über sehr schlecht.«
»Was hat er während der letzten Monate getan? Hat er seit dem vorigen Sommer überhaupt nicht mehr gearbeitet?«
»Nein«, bestätigte Fru Nyman. »Dazu war er zu krank. Er bekam Anfälle, die tagelang dauerten, dann mußte er sich hinlegen. Medikamente haben kaum mehr geholfen. Im Herbst ist er hin und wieder runter zur Wache gegangen, um nach dem Rechten zu sehen, wie er sich ausdrückte, aber arbeiten konnte er nicht.«
»Und Sie können sich nicht erinnern, daß er etwas getan oder gesagt hat, was die Tat erklären könnte?« fragte Martin Beck.
Sie schüttelte den Kopf und fing mit trockenen Augen an zu schluchzen. Ihr Blick ging an Martin Beck vorbei, sie starrte mit leeren Augen vor sich hin.
»Hast du Geschwister?« fragte Rönn den Jungen.
»Ja. Eine Schwester. Sie ist verheiratet und wohnt in Malmö.« Rönn sah Martin Beck fragend an. Der drehte nachdenklich eine Zigarette zwischen den Fingern und musterte das Paar ihm gegenüber.
»Wir wollen jetzt gehen«, sagte er zu dem Jungen. »Ich glaube, du bist alt genug und kannst deiner Mutter behilflich sein. Aber es wäre wohl gut, wenn ihr einen Arzt ruft, der dafür sorgt, daß sie eine Weile schläft. Kennst du einen Arzt, den du um diese Zeit anrufen kannst?« Der Junge stand auf und nickte. »Dr. Blomberg. Der kommt immer zu uns, wenn einer krank ist.« Er ging hinaus in die Diele und sie hörten, wie er eine Nummer wählte und sich nach kurzer Zeit meldete. Das Gespräch war schnell beendet, er Kam zurück und stellte sich neben seine Mutter.
Jetzt sah er etwas erwachsener aus als vorhin, als er unten an der Tür auf sie gewartet hatte.
»Er kommt«, sagte der Junge. »Sie brauchen nicht zu warten. Es dauert nicht lange.« Sie standen auf, und Rönn trat vor und legte die Hand auf die Schulter der Frau. Sie bewegte sich nicht, und als sie sich verabschiedeten, antwortete sie nicht.
Der Junge begleitete sie ins Treppenhaus.
»Wir müssen vielleicht noch mal wiederkommen«, sagte Martin Beck zu ihm. »Wir rufen dann vorher an und fragen, wie es deiner Mutter geht.« Als sie auf die Straße traten, fragte er:
»Du hast doch Nyman gekannt?«
»Nicht besonders gut«, antwortete Rönn ausweichend.
Der blau-weiße Schein eines Blitzlichts beleuchtete für einen Augenblick die schmutziggelbe Fassade des Krankenhausgebäudes, als Martin Beck und Rönn zum Tatort zurückkehrten. Inzwischen waren noch ein paar Autos gekommen und standen mit eingeschalteten Scheinwerfern auf dem Wendeplatz vor dem Eingang.
»Unser Fotograf ist offenbar schon da«, bemerkte Rönn.
Als sie aus dem Wagen stiegen, kam der Fotograf ihnen entgegen. Er hatte keine Bereitschaftstasche, sondern hatte die Kamera und das Blitzgerät umgehängt und seine Manteltaschen waren mit Filmrollen, Blitzlichtbirnen und verschiedenen Objektiven vollgestopft. Martin Beck kannte ihn von früheren Gelegenheiten.
»Nein«, entgegnete er. »Es sieht so aus, als ob die Presse es schneller geschafft hat.« Der Fotograf, der für eine der Abendzeitungen arbeitete, grüßte und machte eine Aufnahme, als sie auf die Tür zugingen. Vor den Treppenstufen stand ein Reporter der gleichen Zeitung und versuchte, mit einem Polizisten ins Gespräch zu kommen. Als er Martin Beck erkannte, sprach er ihn an:
»Guten Morgen, Herr Kommissar, darf man mit hineinkommen?« Martin Beck schüttelte den Kopf und stieg die Stufen hinauf, mit Rönn im Schlepptau.
»Aber ein paar Einzelheiten kann ich doch wohl bekommen?«
»Später«, knurrte Martin Beck und hielt die Tür für Rönn auf, ehe er sie vor der Nase des Reporters, der eine Grimasse schnitt, zuschlagen ließ.
Der Polizeifotograf war auch eingetroffen und stand mit seiner Kameratasche vor dem Zimmer des Toten. Weiter hinten im Flur standen der Arzt mit dem unaussprechlichen Namen und ein Beamter in Zivil vom fünften
Weitere Kostenlose Bücher