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Das Ekel von Säffle

Das Ekel von Säffle

Titel: Das Ekel von Säffle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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zu denken, was er nach einer kleinen Weile aussprach: »Du verstehst jetzt sicher, warum ich dich angerufen habe. Nicht weil…« Er brach ab. Ihm schienen die Worte zu fehlen. Fuhr dann fort: »Nicht weil Nyman Polizeikommissarwar, sondern… ja…wegen diesem hier. «Rönn deutete mit einer leichten Handbewegung auf die Leiche. »Er ist regelrecht abgeschlachtet worden.« Wieder machte er eine kurze Pause und setzte dann hinzu: »Einer, der so etwas fertigbringt, muß doch gemeingefährlich sein.« Martin Beck nickte. »Ja, sieht ganz so aus.« Martin Beck fühlte sich unbehaglich. Aber dieses Gefühl war vage, und er konnte es sich nur schwer erklären. Ungefähr so, wie man ganz plötzlich müde wird. Man nickt ein, ohne es zu bemerken, liest in einem Buch, und die Worte verschwimmen einem vor den Augen.
    Er mußte sich anstrengen, sich zusammennehmen und seine Empfindungen in den Griff bekommen.
    Eng verbunden mit diesem Gefühl des Unbehagens war etwas anderes, das er nicht gleich abschütteln konnte.
    Die Vorahnung von Gefahr.
    Daß etwas geschehen würde, etwas, das er mit allen Mitteln verhindern mußte. Aber er konnte nicht sagen, worum es sich handelte und noch weniger, wie er sich verhalten sollte.
    Er hatte schon früher einige Male ein ähnliches Alarmsignal gespürt, aber die Zeitabstände zwischen diesen Wahrnehmungen waren größer geworden. Seine Kollegen nahmen dieses Phänomen auf die leichte Schulter und nannten es Intuition.
    Das Wichtigste bei der Polizeiarbeit ist Realismus, Routine, Durchsetzungsvermögen und Systematik. Es stimmt, daß viele Fälle durch einen Zufall aufgeklärt werden, aber ebenso richtig ist es, daß Zufall ein dehnbarer Begriff ist, der nicht mit Glück haben verwechselt werden darf. Bei der Aufklärung eines Verbrechens kommt es darauf an, das Netz für Zufälligkeiten so eng wie möglich zu knüpfen. Dabei sind Erfahrungen und Fleiß wichtiger als geniale Einfalle. Ein gutes Gedächtnis und gesunder Menschenverstand sind wertvollere Eigenschaften als intellektuelles Denkvermögen.
    Intuition hat keinen Platz in der praktischen Polizeiarbeit.
    Intuition ist auch keine Eigenschaft, ebensowenig wie Astrologie und Phrenologie als vollwertige Wissenschaften gelten können.
    Aber trotzdem gab es Vorahnungen, auch wenn er ihr Vorhandensein nur ungern zugab, und es hatte Fälle gegeben, bei denen sie ihn auf die richtige Spur geführt hatten.
    Doch seine innere Unsicherheit konnte auch andere einfachere Gründe haben, die mit mehr handgreiflichen Umständen zusammenhingen.
    Zum Beispiel mit Rönns Gegenwart.
    Martin Beck stellte hohe Anforderungen an die Leute, mit denen er zusammenarbeitete. Das lag vor allen Dingen an Lennart Kollberg, der seit vielen Jahren sein engster Mitarbeiter war, zuerst als Detektiv bei der Stockholmer Stadtpolizei, dann bei der ehemaligen Reichskriminalpolizei in Västberga. Kollberg und er hatten sich immer hervorragend ergänzt, außerdem war Kollberg der Mann, der die besten Einfalle hatte, die entscheidenden Fragen stellte und im rechten Moment das richtige Stichwort in die Debatte warf.
    Aber Kollberg war jetzt nicht hier. Vermutlich schlief er längst, und es gab keinen stichhaltigen Grund, ihn zu wecken. Das war gegen die Vorschrift, und Rönn hätte mit Recht gekränkt sein können.
    Martin Beck wartete darauf, daß Rönn etwas tun oder zumindest etwas sagen würde, aus dem er schließen konnte, daß sein Kollege diese Gefahr ebenfalls spürte. Daß er mit einer Theorie oder einer Behauptung kommen würde, die Martin Beck widerlegen oder an der er weiterarbeiten konnte.
    Aber Rönn schwieg beharrlich.
    Dafür erledigte er seine Arbeit routiniert und ohne Hast. Die Ermittlung stand immer noch unter seiner Aufsicht, und er tat, was man üblicherweise von ihm erwarten konnte.
    Das Gelände draußen vor dem Fenster war jetzt mit Seilen und Planken abgesperrt worden. Autos standen mit aufgeblendetem Licht herum, und Richtscheinwerfer leuchteten den Platz aus. Ruckweise bewegten sich die ovalen weißen Flecke von den Taschenlampen der Polizisten über den Boden, ziellos, wie die kleinen Fische im seichten Wasser an einem Badestrand in alle Richtungen fliehen, wenn ein Störenfried auftaucht.
    Rönn hatte die Gegenstände auf und in dem Nachttisch durchsucht, ohne etwas anderes zu finden als die alltäglichen persönlichen Gegenstände und einige triviale Briefe, verständnislos und in forschem Ton, wie sie gesunde Menschen an Krankenhausinsassen

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