Das Elbmonster (German Edition)
im praktischen Denken und Tun gewiss weitestgehend human verhält.
Ergänzend sei gleich hinzugefügt: Ungeachtet meiner bisherigen Äußerungen zolle ich dem inzwischen abgedankten Oberhaupt der Katholiken aufrichtige Bewunderung. Schon allein die Tatsache, wie er trotz seines fortgeschrittenen Alters die enorme Last des bestimmt außerordentlich vielschichtigen und ebenso verantwortungsvollen Amtes würdevoll trug, nötigt mich zu höchstem Respekt. Nie und nimmer wollte oder könnte ich eine solche Funktion ausüben.
Für eine handfeste Überraschung sorgte bekanntlich die Ankündigung Benedikt XVI., dass er am 28. Februar 2013 vom Päpstlichen Stuhl zurücktreten werde. Das war gewiss eine überaus couragierte, ausgesprochen kluge und gleichermaßen pflichtbewusste Entscheidung. Damit hat er auch das jahrhundertealte gespenstisch-makabre Ritual unterbrochen, wonach ein Pabst erst sterben musste, bevor ein anderer von den Kardinälen gewählt werden durfte.
Meine Hochachtung, Herr Ratzinger!
Sonach bleiben wir gespannt, was sein Nachfolger zu bewirken vermag. Doch auch er wird die Welt nicht aus ihren Angeln heben können. Soviel Energie gewährt im kein Gott. Das ist schon mal absolut sicher. Gleichwohl werden auch ihm kritiklose Anbeter von Macht und Herrlichkeit in tiefer Ergebung zu Füßen liegen. Zahlreiche Gläubige brauchen das. Sie können nicht anders. Und es wird auch unentwegt viel dafür getan, um solcherart ehrfurchtvolles Verhalten beizubehalten. Oder sollte sich möglicherweise auf absehbare Zeit etwas Nennenswertes daran ändern? Kaum anzunehmen!
Nun hoffe ich natürlich, dass man sich auch in den Niederungen des Alltags zu derlei Fragestellungen äußern darf. Oder vielleicht besser nicht? Ich tue es dennoch! Nicht einmal der mir vertraute Brief des Paulus an die Römer kann mich momentan davon abhalten, wo es doch widerratend heißt: „Indem du über andere urteilst, verurteilst du dich selbst.“
Ohnehin erscheint mir diese Empfehlung arg lebensfremd, denn kein Mensch ist dagegen gefeit, über andere zu befinden. Und jeder tut es auch schon von Kindesbeinen an, in der ersten Zeit rein gefühlsmäßig, dann zunehmend bewusster.
Nun ja, auch der emsige Briefschreiber und charakterlich besonders widersprüchliche Apostel Paulus war letztlich nur ein Staubgeborener (er wurde in Rom enthauptet).
Wer seinen Ratschlag dennoch gelegentlich für bare Münze nimmt, kommt notgedrungen ins Grübeln. Ergo befallen auch mich vereinzelt gewisse Zweifel wegen meines eigenwilligen Vorgehens. Dagegen treibt mich anscheinend vor allem die Eigenschaft, dass ich jedwede kultische, also übertriebene Verehrung und Mystifizierung von Personen seit Langem für sehr fragwürdig halte.
Mit kritischem Blick auf unser traditionelles Verhältnis zum Judentum vertritt der Tübinger Theologe Hans Küng sogar folgende These: „Der Nationalsozialismus wäre unmöglich gewesen ohne den jahrhundertealten Antisemitismus der Kirchen.“ Das hat ihm verständlicherweise den Zorn des Vatikans beschert. Dabei zielte der tollkühne „Nestbeschmutzer“ keineswegs nur auf fanatische Katholiken, sondern ebenso auf die einst abtrünnigen Protestanten. Und tatsächlich war auch deren höchster Repräsentant diesbezüglich kein Geläuterter, im Gegenteil: Martin Luther entfachte mit seinem im Jahre 1543 verfassten Pamphlet „Von Juden und ihren Lügen“, noch zusätzlich den verhängnisvollen Hass auf alles Jüdische, indem er seine Glaubensbrüder entschlossen dazu aufrief, „dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke und was nicht verbrennen wolle, mit Erde überhäufe“.
Anmerkung: Es liegt mir außerordentlich fern, mit kritischen Äußerungen zum großen Reformator womöglich seine überragenden Verdienste schmälern zu wollen. Die Bibelübersetzung vom Lateinischen ins Deutsche bleibt unbestritten eine grandiose Leistung. Nicht minder ist das überaus mutige Aufbegehren gegen überholte Dogmen der katholischen Kirche zu würdigen.
Doch für aufständische Bauern hatte der wortgewaltige Martin ebenso wenig übrig wie für die geistig-kulturelle Eigenart seiner jüdischen Mitbürger, die er vor aller Öffentlichkeit gnadenlos bekämpfte.
Zubilligung: Alte Zeiten, andere Verhältnisse! Und heute?
Ob wir derlei zutiefst inhumane Gedanken und Verhaltensweisen jemals völlig abstreifen werden, indem wir uns von der törichten Überhöhung eigener Positionen verabschieden? Genießen wir doch
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