Das Elfenportal
– mehr war von dem natürlichen Portal des Hauses Iris nicht übrig geblieben. Auf der einen Seite des Portals befanden sich, teilweise im Boden der Kapelle versenkt, die großen Maschinen, die heutzutage seine Funktion aufrechterhielten. Aber ihre metallenen Abdeckungen waren abgerissen worden und überall lagen Bauteile verstreut.
Blue trat vor, bis ein nahezu hysterischer Priester ihr den Weg versperrte. »Kein Zutritt!«, kreischte er wild. »Niemandem ist es gestattet – « Dann erkannte er sie und trat zur Seite. »Es tut mir Leid, Eure Hoheit. Vergebt mir.«
Blue rauschte ohne ein Wort an ihm vorbei. Sie rang um ihre Selbstbeherrschung. Pyrgus würde es schon gut gehen. Pyrgus ging es gut. Es handelte sich nur um einen kleinen Defekt, irgendeinen dummen Fehler, ein Missverständnis. Was auch schief gegangen sein mochte, es würde sich korrigieren lassen. Pyrgus war noch immer in Sicherheit. Sie sah sich um, bis sie Peacock entdeckte, den Leitenden Portalsingenieur, und marschierte schnurstracks zu ihm. Sie hatte früher schon mit ihm zu tun gehabt und fand ihn sympathisch. Obwohl er der Funktion nach Priester war, kümmerte er sich um die zeremonielle Seite seiner Profession nur wenig. Ihn faszinierten die technischen Aspekte der Portalreisen. Genau ihn brauchte sie jetzt. »Was ist passiert?«, fragte Blue.
Peacock sah besorgt und aufgewühlt aus. »Euer Bruder wird vermisst. Er hat den Bestimmungsort des Portals nie erreicht.«
»Das ist mir bekannt«, sagte Holly Blue. »Ich will wissen, was passiert ist.«
»Das versuchen wir gerade herauszufinden.« Er nickte zu den verstreuten Bauteilen hinüber.
»Hat die Anlage versagt?«
Peacock zögerte kurz, biss sich auf die Lippe, dann sagte er: »Könnte sein, aber ich tippe auf Sabotage.«
Sie kämpfte eine wachsende Panik nieder und konnte verhindern, dass ihre Stimme zitterte: »Was lässt Sie zu diesem Schluss kommen?«
»Nun, wir wissen, dass das Portal nicht richtig funktioniert, denn es hat ihn nicht dorthin geschickt, wo er hinsollte. Aber auch der Filter funktioniert nicht richtig. Ich habe ihn gerade eigenhändig auseinander genommen. Von außen macht er einen guten Eindruck, er macht sogar im Probelauf einen guten Eindruck, zumindest bei einem Routinecheck. Trotzdem tut er nicht, was er tun soll. Das heißt: das Portal funktioniert nicht richtig und der Filter weist Mängel auf. Filter und Portal sind zwei verschiedene Dinge – sie arbeiten praktisch unabhängig voneinander. Zwei gravierende Ausfälle zur gleichen Zeit: das ist für meinen Geschmack ein bisschen viel des Zufalls. Da muss jemand nachgeholfen haben.«
»Dann funktioniert der Filter überhaupt nicht?«
»Nur bis zu einem gewissen Punkt, Eure Hoheit.«
»Was heißt das?«
»Pyrgus müsste beim Übertragen in die kleine geflügelte Gegenform transformiert worden sein, wie beim Durchschreiten eines natürlichen Portals«, erklärte Peacock nüchtern. Er sah sie an und fügte rasch hinzu: »Aber das wird nicht lange anhalten. Es war genug Ladung im Filter, dass er früher oder später in seine natürliche Größe und Gestalt rücküberführt werden müsste.«
Holly Blue starrte ihn an. »Wie lange?«
»Schwer zu sagen.«
»Dann raten Sie!«, rief Holly Blue.
»Ein paar Tage… eine Woche oder zwei. Höchstens ein Monat. Schwer zu sagen.«
»Tage? Wochen? Ein Monat?«, wiederholte Holly Blue. »Er könnte von allem Möglichen getötet werden. Eine Maus könnte ihn töten. Schon eine Libelle könnte ihn töten!«
»Ja, aber das ist unwahrscheinlich.«
Seine beruhigend gemeinten Worte waren nicht sehr überzeugend. »Wissen Sie – « Sie brach ab, weil ihr Vater die Kapelle betreten hatte, gefolgt von Tithonus. Sie entdeckten den Leitenden Portalsingenieur und kamen auf ihn zu. Um sie herum blieben die hin und her hastenden Priester mit besorgten Mienen stehen.
»Holly Blue«, sagte ihr Vater, »geh bitte auf dein Zimmer. Ich habe mit dem Leitenden Portalsingenieur etwas Vertrauliches – «
»Ich weiß, was passiert ist, Vater«, erklärte Blue. »Und ich möchte bleiben.«
Er zögerte nur einen winzigen Moment, dann wandte er sich an Peacock. »Wissen wir, ob er noch lebt?«
»Nein, Herr.«
»Angenommen, er lebt noch – wissen wir, wo er sich befindet?«
»Noch nicht, Herr. Aber wir arbeiten daran.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Ungefähr eine Woche, Herr.«
»Eine Woche!«, fuhr der Kaiser auf. »Ich kann nicht eine Woche lang warten, bis ich weiß, ob
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