Das Elfenportal
mein Sohn lebt oder tot ist!«
»Herr, wir müssen die Anlage demontieren und jedes Bauteil analysieren. Anschließend müssen wir Tests durchführen. Mit einer Portion Glück könnten wir die Antwort früher haben, aber…« Sein Gesichtsausdruck besagte eindeutig, dass er darauf nicht bauen würde.
»Jemand hat sich am Filter zu schaffen gemacht«, sagte Blue.
»Zu schaffen gemacht?« Der Kaiser drehte sich zum Leitenden Portalsingenieur herum. »Sie meinen, das war nicht irgendein Unfall?«
»Möglicherweise war es kein Unfall«, sagte Peacock vorsichtig.
»Ich fürchte, dass es ganz bestimmt kein Unfall war«, warf hinter ihnen jemand ein. Sie fuhren herum und sahen, dass sich der Medizinoberpriester zu ihnen gesellt hatte. Es handelte sich um einen eleganten, gut aussehenden Mann mit grauem Haar, aber heute waren seine Augen blutunterlaufen und die Züge angespannt. »Eure Majestät, wenn ich Euch unter vier Augen sprechen dürfte?«
Blue wollte ihrem Vater folgen, als die beiden sich entfernten, aber er winkte sie weg. Mit wachsendem Zorn sah sie, wie sie die Köpfe zusammensteckten. Ihren Gesichtern war nichts zu entnehmen. Einen Moment später trennten sie sich und ihr Vater kehrte zurück. Sein Gesicht war maskenhaft starr. »Holly Blue, bitte komm. Tithonus, ich möchte, dass du Comma findest und ihn zu uns in meine Gemächer bringst.«
»Ja, Herr«, sagte Tithonus und ging ohne ein weiteres Wort.
Blue wusste, es war besser, ihren Vater in einem solchen Moment nicht zu bedrängen. Aber wie sich herausstellte, brauchte sie auch gar nicht lange zu warten. Nach einem diskreten Klopfen trat Tithonus ein und verkündete formell: »Prinz Comma, Eure Majestät.« Comma kam herein und machte sein gewohnt schuldbewusstes Gesicht – da er ständig etwas anstellte, war das die übliche Haltung gegenüber seinem Vater.
»Ich möchte, dass du bleibst, Tithonus«, sagte der Kaiser. »Bitte setzt euch.« Er sah ernst von einem zum anderen. »Comma, ich habe dich holen lassen, weil du nach dem Kronprinz der Nächste in der Thronfolge bist. Holly Blue, du bist ein leibliches Mitglied des Hauses Iris, darum betrifft auch dich, was ich jetzt zu sagen habe.« Er holte tief Luft und seufzte. »Tithonus, du bist mein Torhüter, und unter den gegenwärtigen Umständen brauche ich deinen Rat mehr denn je: Es besteht die Möglichkeit, dass wir einer verdeckten kriegerischen Handlung gegenüberstehen.«
Blue blieb der Mund offen stehen und sie sah zu Comma, der aber verdrossen auf seine Schuhe hinunterstarrte. Tithonus schien gleichmütig wie immer.
Der Kaiser fuhr fort: »Holly Blue, ich weiß, wie nahe ihr einander steht, und wenn ich wüsste, wie ich es dir schonend beibringen könnte, würde ich es tun. Aber ich fürchte, dein Bruder, der Kronprinz, könnte bald – « Er brach ab, dann berichtigte er sich: »– wird bald tot sein.«
»Ich weiß von der Sache mit dem Filter«, warf Holly Blue rasch ein. »Das Portal mag ihn geschrumpft haben, aber Pyrgus hat Köpfchen. Ich weiß, manche unserer Leute fallen Tieren zum Opfer, aber Pyrgus kann auf sich aufpassen, ganz egal wie groß er ist. Und es wird ja nicht lange so bleiben – der Leitende Portalsingenieur persönlich hat mir versichert, dass er wieder seine normale Größe zurückerlangen wird, und bis dahin kann er sich immer noch verstecken – «
Ihr Vater bedeutete ihr zu schweigen. »Es geht hier nicht um den Filter, obwohl dieser eindeutig Bestandteil dieses breit angelegten Attentatsversuchs ist. Das Portal ist gar nicht der kritische Punkt. Ich vermute, der Filter ist nur sicherheitshalber manipuliert worden, damit Pyrgus keine Hilfe holen kann, wenn er entdeckt, dass man ihn vergiftet hat.«
»Vergiftet!?«, entfuhr es Holly Blue. Sie riss die Augen auf. Comma hörte auf, seine Schuhe zu begutachten, und auch Tithonus schien bestürzt.
Der Kaiser sagte knapp: »Der Medizinoberpriester hat mich gerade darüber informiert, dass sich jemand an der Spritze, mit der Pyrgus geimpft wurde, zu schaffen gemacht hat. Man hat Spuren von Triptium in der Spritze gefunden.«
»Was ist Triptium?« Zum ersten Mal machte Comma den Mund auf.
Dem Kaiser waren seine Qualen deutlich anzusehen. Tithonus warf leise ein: »Es handelt sich dabei um eine Droge, die mitunter von den Meuchelmördern der Nachtseite benutzt wird.«
Der Kaiser sagte: »Ich danke dir, Tithonus, aber sie haben das Recht auf die ganze Wahrheit.« Er wandte sich wieder an Holly Blue und Comma.
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